Einbruch! (2)

Das sogenannte Arbeitszimmer war eine einzige Katastrophe. Zinkmann hatte die Tür kaum öffnen können, da auf dem Boden lauter Zeug herum lag. In der Mitte des Raumes kreuzte ein Bücherregal, das sich irgendwie aus seiner Verankerung gerissen hatte, die Sichtlinie in Richtung Schreibtisch. Der Inhalt des Regals befand sich darunter, ein ganzer Haufen Bücher, Mappen und loser Blätter. Irgendwoher kam ein Rascheln. Zinkmann stemmte die Tür weiter auf und bahnte sich seinen Weg unter dem Regal hindurch. Der Schreibtisch war im Grunde völlig aufgeräumt, nur ein Stück abgerissener Tapete lag darauf und die Schubladen waren allesamt herausgezogen. Hinter dem Schreibtisch kauerte Prof. Dr. Dr. Polkmann mit einer der Schubladen auf dem Schoß, in der er aufgeregt kramte. „Zinkmann! Sie kommen abermals zu spät.“ Der Professor holte einen großen Beutel hervor, in dem sich ein ziemlich kleines Stück Grün befand. Dies stopfte er in eine grobe Pfeife, welche er sogleich mit einer Lötlampe anzündete. „Nein, im Grunde bin ich zu früh. Es ist ja auch nicht so, dass…“ „…dass sie mit ihrer Zeit irgendetwas besseres anzufangen hätten. Ja, da mögen sie Recht haben. Jedenfalls gehen sie gleich mal zum Hausmeister und sagen ihm, dass hier offensichtlich eingebrochen wurde.“ „Eingebrochen. Na das erklärt natürlich … alles, Herr Polkmann.“ „Alles!“ erwiderte Polkmann und warf eine massive Buddhastatue durch das Fenster. „Meine Sprechstunde können sie auch gleich absagen.“ „Aber die ist doch erst am Freitag.“ Polkmann nahm einen tiefen Zug „… eben. Wenn sich mich nun entschuldigen würden. Ich habe noch etwas zu erledigen.“ Er klemmte sich eine Mappe unter den Am und öffnete das Fenster. Erst warf er die Mappe heraus, dann sprang er hinterher. Zwischen den herunterflatternden Papieren war ein dumpfer Aufschlag zu hören, gefolgt vom Rascheln und Knacken einiger Äste.

Zinkmann wartete kurz, dann lehnte er sich aus dem Fenster und musterte den Innenhof. Allem Anschein nach hatte niemand das Zerspringen der Scheibe gehört. Zumindest schien es niemanden zu interessieren. Er schloss das Fenster und klebte das abgerissene Stück Tapete vor die Bruchstelle. Selbst ein genauerer Blick ließ ihn nicht durchschauen, was der Professor in seinem Zimmer veranstaltet hatte. Alles deutete auf einen Mondkranken hin, der hier zum Schutze seiner selbst und der Menschheit bei Vollmond eingeschlossen worden war. Nicht zuletzt die Kratz- und, so sah es jedenfalls aus, Beißspuren an den Möbeln. Er überlegte, was zu tun sei. Die abartige Zerstörungswut, von der nicht zuletzt tiefe Fingerknöchelabdrücke im Stuckwerk zeugten, überstiegen eindeutig das Maß normaler Einbrüche und den Vandalismus jeglichen Rowdys. Zinkmann stieß mit seinem Fuß gegen einen Band der Kritik der reinen Vernunft. Plötzlich sprang die Tür auf und knallte gegen den Ascheeimer. Polkmann betrat das Zimmer und verzerrte sein Gesicht in groteskem Schrecken. „Raub! Diebstahl!“, schrie er und zerzauste sich noch weiter das Haar, aus dem ein paar Blätter rieselten. „Zinkmann, alamieren sie die zuständigen Behör… wieso klebt denn dort Tapete am Fenster?“ „Damit es nicht so zieht.“ „Schlecht, Zinkmann, fatal! Welcher Einbrecher würde denn zur Schadabwendung seines zu Beraubenden ein Stück…“ Polkman drehte sich um und sah eine sog. Studierende mit offenem Mund in der Tür stehen. „Feldversuch!“, brüllte er und schlug die Tür zu.

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