Entschuldigung, Herr Guttenberg

Sehr geehrter Herr Guttenberg, verehrte Leserserschaft – ich muss mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen. In den vergangenen Tagen habe ich mich mehrfach dazu hinreißen lassen, meine Empörung über den von mir so genannten Betrug unseres Verteidigungsministers innerhalb seiner Doktorarbeit mit harschen Worten und Vergleichen zu kritisieren. Dies war ein völlig unangemessenes und beleidigendes Verhalten meinerseits in Wort und Schrift.

Ich kann mein Fehlverhalten nur damit erklären, dass ich in diesem Betrug einen Verstoß sah gegen alles, was heute zumindest unter Ehrenmännern (noch) als wahr und ehrlich gilt – nämlich wissenschaftliche Arbeitsweise, juristische Legitimität und persönliche Redlichkeit. Diese Auffassung ist natürlich völlig vermessen. Glücklicherweise wies mich Dr. Schäuble, heute Morgen im Deutschlandfunk zum Plagiat befragt, darauf hin, dass jeder Mensch manchmal einen Fehler begehe. Wer niemals derlei Verstöße beginge, sei ihm … nunja, ein verdächtiger Mensch.

Dieses Bekenntnis eines konservativen Politikers hat mich überzeugt. Ist Clementia, die milde Barmherzigkeit, doch eine grundlegende Tugend, der auch ich mich verpflichtet fühle. Wem soll sie denn gelten, wenn nicht einem Mitglied der Christsozialen Union?

Bei meinen Auslassungen habe ich leider völlig außer Acht gelassen, dass im gesellschaftlichen Diskurs meine Auffassung von wissenschaftlicher Redlichkeit und persönlicher Integrität nur eine Position unter gleichgültigen ist. Sie, Herr Guttenberg, vertreten nun einmal eine andere Meinung. Für Sie sind Plagiatsvorwürfe in jedem Fall, auch wenn Sie selbst um deren Stichhaltigkeit wissen, abstrus. Auch haben Sie kein Problem damit, einen Betrug zu begehen. Diese Meinung muss ich als Demokrat tolerieren und, ja, auch respektieren. Schließlich waren alle meine großen Vorbilder Rebellen wider überkommene Institutionen und bürgerliche Scheinmoral – ganz wie Sie, Herr Guttenberg.

Völlig fehl am Platze waren deshalb meine Auslassungen über den Zustand ihrer moralischen Gesinnung oder gar oberflächliche Häme bezüglich ihres „halbseidenen“ Aussehens, dass ich für eine solche Handlungsweise als angemessen bezeichnete. Ich entschuldige mich also in aller Form für mein unredliches Verhalten und gestehe meine Fehler ein. Sollten mir derlei Verfehlungen abermals unterlaufen, entschuldige ich mich übrigens auch gerne dafür. Streichungen oder  Verbesserungen der Anschuldigungen werde ich bei einer möglichen Neufassung berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüßen verbleibe ich hochächtungsvoll,
Ihr Gonzosoph

PS/Nachtrag: Sollte ich Sie, Herr „formerly known as Dr.“ Guttenberg, vormals als Dokor angesprochen haben, bitte ich auch diese Verfehlung zu entschuldigen…

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4 Antworten zu Entschuldigung, Herr Guttenberg

  1. Pierre Dumaine sagt:

    Nein, es ist nicht Clementia, die Dr. Schäuble küsste. Es war die Paránoia. Wer keinen Fehler begehe, komme ihm verdächtig vor? Ja, Menschen die ihre GEZ-Gebühren zahlen, kommen mir auch verdächtig vor.

    Schöner Beitrag übrigens.

  2. Erbloggtes sagt:

    Ein Rechtssystem, das den Vergeltungsaspekt der Bestrafung abgelegt hat, muss konsequenterweise demjenigen, der – beispielsweise – illegale Parteispenden annimmt und in schwarzen Koffern, äh, Kassen führt, oder sich akademische oder sonstige Grade erschleicht, alles verzeihen. Der einzige verbleibende Strafzweck ist und bleibt die Prävention: Individualprävention, dass jemand eine Verfehlung nicht wieder begehen werde (und warum sollte man sich noch einen Doktortitel erschleichen oder noch mehr illegale Parteispenden annehmen, schließlich ist man dafür gar nicht mehr zuständig); bzw. Generalprävention, dass auch niemand anders derartige Verfehlungen begehen werde. Zu letzterem schlage ich vor, alle Doktoranden zu internieren, ferner die FDP, die ja bekanntlich die größten Parteispenden erhält. Denn wo niemand mehr ist, kann niemand mehr straffällig werden – und dann braucht man die Strafe als Vergeltung ja schon gar nicht mehr.

  3. gonzosoph sagt:

    Ich frage mich ehrlich gesagt, warum Parteigroßspenden überhaupt erlaubt sind. Aber auch das wird mir Herr Schäuble vielleicht sogar so erklären können, dass selbst ich es verstehe.

    Die FDP zu internieren wäre sicherlich in jeder Hinsicht ein guter Anfang und die einfachste Methode, manche Formen der Kriminalität zur Gänze abzuschaffen. Zumal die Anzahl der FDP-Mitglieder in Hinsicht auf die Gesamtbevölkerung recht gering ist und es somit eine utilitaristisch einwandfreie Lösung wäre. Gleicheit vor dem Gesetz ist schließlich nur eine weitere Form sozialistischer Gleichmacherei. Folglich müsste sogar die FDP dafür stimmen.

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