Chauvinismus ist … masculin?

Man liest ja heuer eher selten von Helden. Zumindest seit dem Abgang von Guttenberg, der angeblich auf die Frage seiner Tochter, ob tote deutsche Soldaten Helden seien und ob sie stolz auf sie sein dürfe, „nicht politisch, sondern ganz einfach mit Ja geantwortet“ habe. Wie erfrischend ist es da, endlich mal wieder eine Überschrift wie diese zu lesen: Die Helden vom Ho-Chi-Minh Pfad.

In diesem Artikel der Zeit wird spannend und auf sehr anschauliche Weise berichtet, wie eine kleine Einheit Vietcong unter den widrigsten Umständen (Bombenangriffe, Minen, Agent-Orange, Benzinvergiftung etc.) Laster mit Nachschub für den Krieg gegen das kapitalistische Südvietnam über den gefährlichen Dschungelpfad zwischen Vietnam, Laos und Kambodscha fuhren. Ich als großer Freund der Militärhistorie lese so etwas ja immer gerne, muss mir dazu aber für gewöhnlich ein entsprechendes Fachmagazin kaufen, da die „linke Mainstreampresse“ der großen Zeitungen so selten über derlei Kampfgeschehen berichtet. Warum ist das hier anders? Weil es sich bei den Helden um Frauen handelt, um Heldinnen.

Frauen, Soldatinnen, Heldinnen

Erwähnenswert wird die ganze Geschichte wohl nur, da es sich laut Artikel um 42 Frauen handelt, die in diesem Krieg nicht nur eine Uniform trugen, sondern sogar LKW fuhren. Laut Autor hat das eine derartige Signifikanz, dass es den gesamten Vietnamkonflikt in einem neuen Licht darstelle – dennoch sei dieses Kapitel „fast vergessen“:

Der ehemalige Präsident des Landes, Nguyen Minh Triet, hatte zwar 2008 bei einem Veteranen-Treffen an die Tapferkeit dieser Frauen erinnert, die „ihre Jugend für die Partei und die Revolution opferten, und den Kampfgeist der Soldaten anspornten.“ Aber seit diesem 40. Jahrestag des Aufbaus der Brigade hat offenbar kein Würdenträger oder hoher Partei-Funktionär die Fahrerinnen mehr erwähnt. Da verwundert es wenig, dass amerikanische und europäische Historiker die Frauen-Brigade bisher nicht wahrnahmen oder sogar deren Existenz bezweifeln

Natürlich abgesehen von den zwei wissenschaftlichen Abhandlungen, die mittlerweile über das Thema erschienen sind und sich unter den ersten 3 Google-Treffern finden, ebenso wie die Reportage in Spielfilmlänge, die dazu an mehreren Universitäten gezeigt wurde. Ach ja und dann gibt es ja noch eine Ausstellung im Frauenmusem von Hanoi, der Hauptstadt der Sozialistischen Republik Vietnam, aus deren Quellen der Autor des Artikels offensichtlich all seine Informationen hat.

„Die Frauen haben sich für ihr Land und für ein Leben in Freiheit aufgeopfert“, sagt die Leiterin des Frauenmuseums in Hanoi.

Man darf sich fragen, ob solch ein Zitat je seinen Weg in die online Ausgabe der Zeit gefunden hätte, wenn es sich bei den Soldaten um Männer gehandelt hätte. Und man darf sich fragen, wann die Zeit es das letzte Mal beklagt hat, dass „kein Würdenträger oder hoher Partei-Funktionär“ einer sozialistischen Republik die Leistung von Soldaten ausreichend gewürdigt hätte.

Oder doch nur Opfer?

Diese Fragen stellt sich offenbar auch die Redaktion der Zeit selbst und hat nunmehr das pathetische „Heldinnen“ der Überschrift in ein schlichtes „Frauen“ abgeändert. Auch steht der halbe Artikel nunmehr im Konjunktiv. Nicht als Zitat kenntlich gemachte Übernahmen aus den Propagandaschriften der Sozialistischen Republik Vietnam werden nach und nach entfernt. Man versucht nun die Opferrolle der Soldatinnen zu betonen. Von Helden zu Opfern, so schnell kann es gehen. Und dann haben wir es wieder ganz klassisch.

Opfer ist hier aber wohl in erster Linie der Autor des Artikels, und zwar ein Opfer seiner eigenen Vorurteile. Man kann sich den Gedankengang leicht vorstellen: „Frauen im Krieg und die fahren sogar LKW! Das wird der Knüller.“ Wieder einmal bestätigt man dadurch eben jene Klischees, die man in Zweifel ziehen wollte. Weil man sie schlicht nicht bezweifelt – deutlicher Ausdruck ist dabei die ungefilterte Nutzung von Propagandamaterial eines nun nicht unbedingt für seine Wahrheitsliebe bekannten Regimes, einzig und allein weil es eine tolle Story, eine Heldengeschichte erzählt. Wenn man den Geschichten, die der Autor zitiert, Glauben schenken darf, so wundert man sich nun doch, dass sich noch heute 40 von den 42 damals eingesetzten Frauen mehr oder minder bester Gesundheit erfreuen, wie man dem angeführten Gruppenbild entnehmen darf. Jedenfalls lächeln alle. Schöne, heile, sozialistische Welt.

Dieser Artikel nutzt nicht nur Propaganda, er ist Propaganda. Als nächstes erscheint womöglich ein Artikel über die „Heldinnen“ in Gaddafis ausschließlich weiblicher Leibwache. Offen bleibt nur – waren sie nur Heldinnen, oder Heldinnen und Opfer zugleich?

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