Nebeneinander

Schlaf ist seit einigen Jahren etwas, das ich nicht sonderlich beherrsche. Ein Schmerz in der Brust wird zur Lunge. Das Hirn ist plötzlich flügge und auch der Darm setzt nun ein, mit Blubbern und Verdauungswärme. Zur Nacht bestehe ich ganz aus den Organen. Die Empfindung wird dann schnell archaisch. Kein Traum liegt wach mit mir, kein Fettgewebe, das sich kneten ließe.
Er saß dort nun einige Tage schon und betrachtete die Bücherstapel mit Unwillen und Freude. Planlos griff er heute dieses heraus, hatte er gestern in jenem einige Zettelchen zurückgelassen. Bald wandte er sich wieder ab, wischte mit einem feuchten Lappen über den Tisch, an dem er so oft Kaffee trank und Zeit. Die Stapel umstanden ihn dabei recht warm. Sie wiesen seine Gedanken an sich zu ordnen, für den Tag etwa.
Schalter betätigt man selten bewusst. Man denkt an das Licht und schon ist es hell. Ihr ging es so auch mit ihrem Rechner, den sie ohne jede Erwartung einzuschalten gewohnt war. Meist durchwanderte sie dann die Bookmarks, schaute in den Messenger, trank ihren Kaffe. Das Handy klingelte und erinnerte sie daran, die Pille zu nehmen.
Ein Novalis zu sein und ein Heim zu kennen, bei Grab und Weib. Kein Kleist bin ich, fatal, sehe ich mich doch oft als Kafka, wozu mir vieles fehlt — eine Frau etwa, die meine Briefe läse. Um Notiz zu nehmen von meiner Isolation. Ich sieche einsam. Im billigsten Sinne des Wortes mache ich mir rar, mauere die Fenster zu mit Büchern. Ich lese mich in Kriege ein, die dem Sieger noch den Tod bedeuteten. Versuche dadurch auch meine Nächte mit Leben auszuleuchten.
Jeder von ihnen sah gerne diese Filme. Eine Welt für sich, in der Charaktermasken noch von Menschen getragen wurden; die Rollen sich nicht selber spielten. Entgegen der üblichen Sitte gingen hier die Frauen mit ihren Kostümen spazieren. Die Kulissen waren leicht zu durchdringen. Die „Realität“ ist dagegen nicht einmal von minimalistischem Reiz. Nur monoton und minimal – ich selbst bin zu komplex, nicht die Mannigfaltigkeit der Banalitäten und Banalen, die mich umgibt. Und sie glauben mich beim Namen nennen zu können.
Wo ist nur das du geblieben? Irgendwo zwischen Koffein und Codein, dem Zittern elektrischer Störfelder. Wir wären sicher kein schönes Paar gewesen; aber ein pures.
Er faltete den Zettel wieder zusammen und legte ihn zurück in den Umschlag. Mit seinen trockenen Lippen befeuchtete er die Klebekante der Lasche und drückte sie fest gegen den Briefkörper. In der Luft lag noch Geruch von Asche und Weißwein, an seinen Händen schwarze Tinte. Das sind die Spuren, die es hinterließ.

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