Die Demokratievernichtungsmaschine

Demokratievernichtungsmaschine CDU

„The whole point of the doomsday machine is lost if you keep it a secret!“

Wenn es die AfD nicht gäbe, müsste die CDU sie erfinden. Da es sie aber schon gibt, hilft sie ihr nach Kräften – etwa durch die Neutralisierung des Verfassungsschutzes. Es folgt eine Darstellung der Ereignisse und des gefährlichen Kalküls:

Am 14. Oktober des abgelaufenen Jahre kündigte der damalige Chef des bundesdeutschen Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, ein untersetzter Mann mit Bürstenhaarschnitt, eine aktualisierte Bewertung der AfD an. Noch vor Jahresende sollte offiziell geklärt und erklärt sein, wie rechtsextrem die Partei als Ganzes ist. Diese Ankündigung beeinflusste naturgemäß auch die schon länger laufende Debatte um ein Verbotsverfahren der AfD. So zeigten sich wenige Abgeordnete überzeugt, ein so kompliziertes und langwieriges Verfahren einzuleiten, bevor die offizielle Neubewertung vorliegen würde, welche die AfD erwartungsgemäß als gesichert rechtsextreme Organisation ausgewiesen hätte. Dass die AfD als gesichert rechtsradikal bewertet werden würde, daran bestand in der informierten Öffentlichkeit wenig Zweifel. Ich nutze hier den Konjunktiv, denn diese Neubewertung fand bekanntermaßen bisher nicht statt.

Am 6. November 2024 entließ Olaf Scholz sämtliche Minister der FDP aus der Regierung, nachdem klar geworden war, dass die Führung der FDP seit Wochen, wohl eher seit Monaten aktiv auf ein medienwirksames Scheitern der Regierungskoalition mit SPD und Grünen zuarbeitete. Ein augenscheinlich schwer enttäuschter Christian Lindner trat mit Tränen in den Augen vor die Kameras und erhob schwere Vorwürfe über gebrochenes Vertrauen und menschliches Fehlverhalten seitens seiner vormaligen Regierungspartner. Wie jedoch auf Druck der Öffentlichkeit hin herausgegebene FDP-Dokumente (mit so schönen offiziellen Titeln wie „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“) zeigten, war unter seiner Führung schon längst entschieden worden, die Koalition zu brechen und ein Szenario herbeizuführen, das die anderen Regierungsparteien möglichst beschädigen und die Öffentlichkeit über die Gründe und Urheber des Koalitionsbruchs täuschen sollte. Was ihm die Tränen in die Augen trieb, bleibt also fraglich.

Thomas Haldenwang, der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt, überlegte sich in direkter Folge, dass nun die Gelegenheit gekommen sei, seine stellungsgemäß erforderliche Neutralität aufzugeben und bei den nun plötzlich anstehenden Wahlen für die CDU zu kandidieren. Seine Absichten wurden eine Woche später, am 12.11.2024 bekannt. Tags darauf wurde auch er von seinem Posten entlassen, konnte man doch nicht umhin, eine gewisse Voreingenommenheit und ein erratisches Verhalten zu unterstellen. So war es nicht allzu lange her gewesen, dass er aus gesundheitlichen Gründen sein Amt als Verfassungsschutzchef binnen Jahresfrist hatte niederlegen wollen. Offenbar disqualifizieren gesundheitliche Gründe, die einen an der Weiterführung einer staatstragenden Arbeit hindern, nicht für die neuerliche Aufnahme eines CDU Bundestagsmandats. Selbst sagte er, dass er mit einem bloßen Bundestagsmandat „ein bisschen kürzertreten“ wolle. Und so nominierte der CDU-Kreisvorstand Wuppertal ihn zwei Tage später für den Bundeswahlkampf. Was Haldenwang jedoch noch schnell vor seinem Kürzertreten erledigen konnte, war die Verschiebung der Neubewertung der AfD. Diese sei angeblich durch die nun anstehende Wahl hinfällig geworden, wolle man die Wähler doch nicht mit sachdienlichen Hinweisen zum Faschismus beeinflussen. Und freilich hätte es komisch ausgesehen, wenn die Rot-Grüne Minderheitsregierung zum Wahlkampfauftakt einen neuen Verfassungsschutzchef installiert hätte, der prompt die Verfassungsfeindlichkeit der größten Oppositionspartei verkündet. Haldenwang (CDU) hat also durch sein Manöver praktisch im Alleingang eine sachlich korrekte und politisch brisante Einstufung der Bundes-AfD als gesichert rechtsextreme, verfassungsfeindliche Partei bis zu den Wahlen verhindert. Das war entweder ziemlich egoistisch und unüberlegt von ihm. Oder ziemlich gut überlegt und perfide. Was davon, ist schwer zu sagen. Könnte man meinen.

Am 15.01.2025 hat die sächsische CDU einen AfD Mann in den dortigen Geheimdienstausschuss gewählt. Er darf künftig den Verfassungsschutz überwachen, welcher die sächsische AfD längst als gesichert rechtsextrem eingestuft hat. Was Mitte Januar noch als Dammbruch und als unerhörte Zusammenarbeit der CDU mit der AfD bezeichnet wurde, steht mittlerweile jedoch völlig im Schatten des gemeinsamen Abstimmens von Bundes-CDU, -AfD und -FDP nur zwei Wochen später.  Diese denkwürdig offene Kooperation von Bürgerlichen mit Rechtsextremen wurde von CDU-Chef Merz damit begründet, dass der Beschluss seiner Forderungen mit den anderen Parteien (SPD, Grüne, Linke) nicht möglich gewesen sei. Das Narrativ sowohl in den öffentlichen als auch privaten Medien berichtete hinterher vor allem über die Unfähigkeit der demokratischen Parteien, einen Beschluss zur Einschränkung der Menschenrechte, zum Bruch von EU-Recht und zum Scheitern von Schengen zu fassen, wie von CDU, AfD und FDP vorgeschlagen. Dies sei, so hieß es, in der Hauptsache den Parteien anzulasten, die diesen hitzigen Forderungen, man solle endlich weniger EU wagen, nicht nachgekommen seien. Es freute sich darüber in allererster Linie und unübersehbar die AfD, die seitdem stetig Stimmzuwächse verzeichnet und deren Umfrageergebnisse andeuten, dass es am morgigen Wahlsonntag womöglich nicht einmal für eine große Koalition reichen wird.

Nun könnte man eben davon ausgehen, die CDU habe lauter taktische Fehler begangen, sich ständig verkalkuliert und völlig fahrlässig alles dafür getan, dass die AfD bei den Wahlen nicht nur zugelassen wird und frei vom Prädikat „verfassungsfeindlich“ dasteht, sondern dass ihre rechten Forderungen und Positionen, welche von CDU/CSU/FDP nach und nach übernommen wurden, in der Debatte als legitim, mehrheitsfähig, ja dringend notwendig und geboten erscheinen. So notwendig und geboten, dass die CDU zur Durchsetzung von AfD Forderungen sogar gewillt ist, Brandmauern einzureißen und mit Faschisten zusammenzuarbeiten. Besser kann man nicht salonfähig gemacht werden.

Und so könnte man auch unterstellen, dass es sich nicht um reine Dummheit, sondern um Kalkül handelt: Wie sich dieses Kalkül ausgestaltet, haben wir jüngst gesehen. Eine starke AfD bedeutet für die Union und ihre angeschlossenen Parteien, dass man mit Verweis auf das rechtsradikale Monster im Schrank plötzlich alles verlangen kann. Wird auf die eigenen Forderungen nicht eingegangen, müsse man wohl das Monster herauslassen. Natürlich will angeblich niemand den Schrank öffnen. Die Existenz des Monsters kommt Einigen jedoch sehr gelegen.

Womit sonst ließen sich alle anderen demokratischen Kräfte zu für sie unannehmbaren Kompromissen zwingen? Natürlich immer mit dem Verweis darauf, dass monströse Maßnahmen sehr populär seien. Und macht ihr den Rechtsruck nicht mit uns – dann machen wir ihn eben mit dem Monster. Also stimmt dann doch lieber unserer Autokratie light mit menschlichem Antlitz zu. Besser 4 Jahre Rückschritt mit noch mehr Bonbons für die immer Reicheren, als die sogenannte „Remigration“ und am Ende gar keine Wahlen mehr.

Dies scheint das Kalkül. Es ist aber ein höchst riskantes. Denn gibt man sich den Argumentationsmustern der Extreme hin, kann man sich anschließend von den Extremisten am Nasenring durch die Manege ziehen lassen: Warum stimmt ihr nicht unseren neuen Maximalforderungen zu? Ihr habt doch selbst gesagt, dass unsere Sorgen und Anliegen legitim sind und man sie ernstnehmen müsse. Und damit erreicht man genau das, was die AfD jahrelang verzweifelt zu erreichen versuchte, was ihr aber stets misslang: die Entskandalisierung von offen demokratiefeindlicher und rassistischer Politik. Diese war nie mehrheitsfähig und ist es weiterhin nicht. Plötzlich scheint es jedoch, als müssten wir alle dazu bereit sein, ein bisschen demokratiefeindlicher und rassistischer werden – um des gutbürgerlichen Kompromisses wegen. Die Wähler indessen fragen sich bei all dem offenbar mehr und mehr, warum sie denn nicht gleich das antidemokratische, rassistische Original wählen sollen und nicht die Diäten-Version davon. Noch dazu, wenn sie sich persönlich in den letzten 10-30 Jahren weit und immer weiter weg von gutbürgerlichen Verhältnissen wiedergefunden haben.

Das Traurigste an diesem ganzen Kalkül ist, dass es dabei nicht um große Dinge, Pläne oder Visionen geht. Wir sprechen immerhin von der CDU. Es geht also darum, den gutsituierten in diesem Land ein paar kleine Steuererhöhungen zu ersparen, damit die soziale Schere auch weiterhin zu ihren Gunsten auseinandergeht und die neue Standesgesellschaft qua Erbesgnadentum nicht gefährdet werde. Für diese lächerlich unbedeutenden, rein monetären Ziele wird eine Strategie verfolgt, welche die Demokratie zumindest erodiert, es schon getan hat, und sie letztendlich sogar implodieren lassen kann. Spätestens dann, wenn die bürgerlichen Parteien mit Blick auf einen niedrigeren Steuersatz aber vordergründig mit dem Geschwafel von der Abwendung von Not von Bevölkerung und Republik die Zusammenarbeit mit den Faschisten nicht mehr nur androhen, sondern sie aktiv umsetzen. Sie haben das schon getan, es sieht nicht danach aus, als würden sie sich nun davon abbringen lassen. Nicht durch Vernunft, nicht durch Moral und ganz sicher nicht durch den Hinweis darauf, wie das beim letzten Mal ausgegangen ist.

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