Ich saß wieder im Zug, war unterwegs, wohin auch immer. Plötzlich setzt sich dieses Mädchen vor mich hin, entgegen der Fahrtrichtung. Gedankenversunken habe ich es gar nicht kommen sehen. Seltsam aufdringlich sieht sie mich an, fast schon obszön. Dabei kann ich nicht umhin ihre Verachtung zu sehen für das Außen, wie sehr sie über allem steht. Fesselnd.
Ich kram in meiner Tasche nach einem Tape, bin mir sicher es eingepackt zu haben. „Scheiß drauf“ war es betitelt. Ich kann es nicht finden und du sagst mir, du würdest es sowieso nicht haben wollen. Drückst mir einen zerknitterten Zettel in die Hand, stattdessen. Darauf steht ein Gedicht: „Das Leben ist/ nur ein Traum/ manchmal wünsche ich mir/ vom Leben zu träumen.“ Seltsam bekannt klingt das, als wäre es von mir. Dann stoppt unser Zug. Irgendwo im Nirgendwo, an einem kleinen Bahnhof ist Endstation. Die Oberleitungen sind vereist, die Geleise unpassierbar. Wir müssen warten. Du sitzt an einer Säule ohne jegliches Gepäck. Plötzlich funkt es. Wir sehen nach dem Fahrplan, doch es gibt keinen. Niemand scheint zu wissen was passieren wird. Auch ich habe kein Gepäck mehr, irgendwo ließ ich es stehen. In die Bahnhofskneipe lassen sie uns nicht hinein. Du stellst dich albern an und ich seh von Außen auch nicht anders aus, als ich mich innen sehe: Drei Tage Bart, usseliges Haar — passend, wie ich finde. Dir kommt das alles seltsam vor, erinnert dich an das Gedicht. Doch ich kann dich beruhigen, streich über dein tiefschwarzes Haar. Du schlägst vor, von nun an Banken auszurauben. Ein Wahnsinn, denn in diesem Kaff gibt es nicht eine einzige.
Ein Zug fährt ein. Du gibst mir ein weiteres Gedicht, dessen Sinn ich gleich erkenne. Deinen Blick versteh ich jedoch nicht, denn traurig siehst du mich an, während ich es lese. Es beginnt mit den Worten „Teil meines Lebens“, doch je mehr ich mich konzentriere, je wirrer werden die Buchstaben, die Sätze. Sie formen sich zu Gedanken. Plötzlich sehe ich nichts mehr, beginne meine Hände zu spüren, die nichts halten. Schmecke abgestandne Luft um mich herum. Du bist nichtmal ein Schatten mehr. Ich wache auf, ganz langsam, widerwillig, suizidal enttäuscht.
-
Archive
- Oktober 2024
- August 2020
- Dezember 2017
- Mai 2017
- November 2016
- August 2016
- Mai 2016
- März 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- Oktober 2015
- August 2015
- Juli 2015
- Mai 2015
- April 2015
- März 2015
- Januar 2015
- Oktober 2014
- April 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Dezember 2013
- Oktober 2013
- September 2013
- Juli 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
- November 2012
- Juli 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Januar 2012
- Dezember 2011
- November 2011
- Oktober 2011
- September 2011
- August 2011
- Juni 2011
- Mai 2011
- April 2011
- März 2011
- Februar 2011
- Januar 2011
- Dezember 2010
- November 2010
- Oktober 2010
- September 2010
- Juli 2010
- Juni 2010
- März 2010
- Februar 2010
- Januar 2010
- November 2009
- Oktober 2009
- September 2009
- August 2009
- Juli 2009
- Juni 2009
- Mai 2009
- April 2009
- März 2009
- Februar 2009
- Januar 2009
- Dezember 2008
- November 2008
- Oktober 2008
- September 2008
- August 2008
- Juli 2008
- Juni 2008
- Mai 2008
- April 2008
- März 2008
- Februar 2008
- Januar 2008
- Dezember 2007
- November 2007
- Oktober 2007
- September 2007
- August 2007
- Juli 2007
-
Meta