Mexiko: Jagd auf Emos fordert Verletzte
Im mexikanischen Querétaro haben sich Heavy Metal-, Skate Punk- und Rock-Fans zusammengeschlossen, um Jagd auf Emos zu machen. Das Ergebnis sind vier Verletzte und 28 Verhaftete.
(laut.de, 13.03.2008)
Wieso provoziert eine Jugendkultur, die sich laut Wikipedia „durch das stärkere Betonen von Gefühlen wie Verzweiflung und Trauer sowie durch die Beschäftigung mit persönlichen Themen wie Liebe und Freundschaft auszeichnet,“ also selbst gar nicht provokativ ist? Weil sie sich gerade damit von fast allen vorherigen Jugendkulturen unterscheidet. „Emo“ ist im Grunde nur der nächste Schritt innerhalb der modernen Jugendkultur. Sie übernimmt je nach individuellem Geschmack prägende Elemente aus Punk/Elektro/Grufti/Grunge/Hippie-Tradition und verbindet diese mit aktueller Poppmusik und Produkten, welche zur eigenen Gruppenidentifikation herangezogen werden. „Emo“ selbst greift damit dem voraus, was seinen Vorgängern noch als von Außen übergestülpt erschien. Während jene Subkulturen meist als utopischer Gegenentwurf zur westlich-kapitalistischen Leitkultur konzipiert waren und dann allmählich durch den Markt angenommen, angepasst — vermarktet — wurden, zeichnet sich „Emo“ durch die Utopie direkt innerhalb des Marktes aus. Zuerst kam die Vermarktung, dann die Massenbewegung. Dementsprechend gilt „Emo“ auch mehr als Kleidungsstil, denn als Musikrichtung.
Bezeichnenderweise ist diese marktinterne Utopie, die keine Rebellion sein will, nicht weniger pessimistisch und desillusioniert als die ihr vorangehenden Jugendkulturen. Im Gegenteil, Verzweiflung und Trauer bilden den Kernbereich der betonten Emotionen und da sie als unüberwindbarer Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens begriffen werden, erhalten sie kurzerhand eine positive Aufwertung als konstitutives Element der „Szene“. Auch hier zeigt es sich wieder: Während andere utopische Jugendrebellionen im Regelfall erst nach der zweiten Generation durch ihre Integration in den kapitalistischen Prozess zur Stabilität desselben beitrugen, ist „Emo“ von Anfang an ein Erklärungs- und Legitimierungsmodell für negative Strukturen und Gefühle, die von jenem zwangsläufig produziert werden. Diese Jugendkultur versucht keine als schlecht empfunden Strukturen zu ändern, sondern einfach mit dem Leid zu leben, das jene verursachen. Im Unterschied zum aus der Punkbewegung hervorgegangenen Grufti der 80er Jahre, den Konsumverzicht und Selbstzerstörung prägten, geht „Emo“ dabei viel euphorischer mit den Möglichkeiten des Marktes um. Man lebt seinen Pessimismus voll aus – mit Klamotten und Events. Das Diktum der Angepassten.