Ich gebe es zu, ich bin ein arroganter, ignoranter und überheblicher Mensch, ich halte mich selbst für etwas Besonderes und betrachte den Rest der Menschheit mit dem lächelnden Auge, mit welchem man kleinen Kindern bei ihrem Tapsen und Fehlgehen zusieht. Mittlerweile verliere ich jedoch selbst dieses Wohlwollen. Wie bin ich als anerzogener Humanist zu solcher Misanthropie degeneriert?
Die Antwort ist simpel und, wie in letzter Zeit in meinem Blog häufiger, ein lateinisches Fremdwort: Curriculum. Es ist die Praxis des universitären Referatswesen, die als Urquell aller Menschenverachtung taugt. Ein Schlüsselbegriff auch: Fremdschämen. Zuguterletzt einfach kognitive Überforderung.
Wie kann es sein, dass in einem Seminar mit jedem neuen Termin, mit jedem neuen Referenten auch ein neuer Tiefpunkt erreicht wird, was sowohl den Gehalt als auch die Präsentation eines Referates angeht? Wie kann man sich erdreisten, ein Referat nicht nur mit dem ewig wiederkehrenden Verweis einzuleiten, der Drucker oder die Festplatte sei gerade gestern Abend abgebrannt, sondern auch noch seine erste thematische Äußerung mit „… also … ähm… verdammt! Verdammt! Verdammt!… ähm … jetzt hab ich den Faden verloren“ abzuschließen.
Verstehen sie mich bitte nicht falsch, auch ich habe mal einen schlechten Tag und komme gelegentlich beim Sprechen ins Stocken. Dennoch, einfach fernab jedweden Selbstanspruches vor ein Plenum zu treten und alle 5 Minuten zu betonen, wie schwer der Text doch sei und das man ja eigentlich auch gar keine Ahnung habe, was zu betonen überflüssig wäre — das ist einfach kein universitäres Verhalten. Darüber hinaus ist es eine Zumutung. Das Plenum kann nunmal nicht einschreiten und das Referat beenden. Aus Anstand und Sitte fährt man einem Kommilitonen auch nicht vor den noch so klapprigen Karren und wiederholt für ihn, was er selbst die ganze Zeit von sich behauptet: Dass er keinerlei Zugang zum Text hat und seine ganze Präsentation eine einzige Farce bleiben wird. So kauere ich auf meinem Platz und vertreibe mir die Zeit mit der Fehlersuche oder Optischem Tuning auf dem Thesenpapier, wenn es denn überhaupt vorhanden ist. Dabei wächst in mir langsam die Gewissheit, dass mich dieser stammelnde Mensch da vorne im Grunde nur verhöhnt, beleidigt. Er weist nicht nur jede Selbstachtung mit seiner elegischen Apologie des Versagens weit von sich. Durch sein Selbstverständnis dieser Leistung unterstellt er darüber hinaus, dass es für einen Studenten ja ganz normal und kein Grund für einen Verweis sei, weder lesen, noch fehlerfrei schreiben und schon gar nicht frei sprechen zu können. Er geht davon aus damit durchzukommen, und er wird damit durchkommen.
So bleibt man fassungslos zurück und staunt darüber, wie jemand bei solch einer Leistung mit sich selbst nicht nur im Reinen, ja sogar zufrieden sein kann. Und einem graut es vor der nächsten Woche, denn hat sich das Versagen erst einmal als Habitus etabliert, richtet sich jeder danach aus. Es wird immer schlechter und schlechter und schlechter. Zuletzt ist dabei gar keine Dreistigkeit mehr im Spiel, schließlich handelt man nur so, wie es scheinbar von einem erwartet wird.
Wie wäre es einfach mal mit ein wenig Ethos? Angesichts dieser Entwicklung musste ich von meiner ursprünglichen Einschätzung, dass vor allem ein arroganter und selbstverliebter Referent unerträglich sei, abkommen. Der brabbelt wenigstens nicht eine geschlagene Stunde sinnlos vor sich hin und stiehlt mir meine Lebenszeit. Und so wurde ich selbst arrogant, es bleibt ja gar nichts anderes übrig, will man seinen Mitstudenten nicht ebenfalls solche Dreistigkeiten zumuten. Sollten sie mich also als Referenten erleben, entschuldigen sie bitte diese oder jene Anmaßung im Habitus, denken sie an die schlimmere Alternative die ich ihnen damit erspare und …. ähm … nunja, verdammt! Verdammt! Verdammt! … nun hab ich den Faden verloren.
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