Moratorium: Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg

Derzeit verweile ich ja im Sauerland, um ein wenig ländliche Entwicklungshilfe zu leisten. Doch auch hier kommt man um die aktuellsten Nachrichten nicht herum: Die Gaddafi-Gegner in Libyen werden aus den Stellungen und angeblich sogar Krankenhäusern herausgebombt. Wir sehen munter dabei zu. Es wäre ja auch unvertretbar und ein schlechtes Zeichen an die gesamte Demokratiebewegung, wenn man sich dort nach Anfragen aus dem Land selbst und Zustimmung durch die Afrikanische Union zumindest per Luft-Luft Raketen engagieren würde.

Deutsch-Gaddafische Freundschaft

Gaddafi wird sich bedanken – etwa mit einem neuerlichen Bombenattentat auf deutschem Boden. Aber wie Dirk Niebel es schon im Hörfunk sagte, sei er und ist damit wohl auch unsere Regierung höchstenfalls „in aller Regel auf der Seite der Kräfte, die Demokratie und vor allem Menschenrechte verwirklichen wollen.“ Manchmal ist man  wohl auch gerne mal auf Seiten von Diktatoren, welche die Menschenrechte aus den Herzen und Seelen ihrer Bevölkerung herausbomben. Tote haben schließlich keine Rechte. Doch es interessiert außer Daniel Cohn-Bendit, dessen Darstellung des Sachverhalts gegenüber einer kritisch oberflächlichen Marietta Slomka eigentlich nichts mehr hinzuzufügen ist, ja auch eigentlich Niemanden mehr.

Überschattet wird all das nämlich durch eine Thematik, die uns hierzulande auch direkt betrifft: AKWs und ihr neuerlicher Hang, plötzlich zu verpuffen. Nachdem unsere Regierung in ihrer bisherigen Legislatur nicht viel mehr auf den Weg gebracht hat, als die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers, die Einfrierung der Krankenkassenbeitrag für Arbeitgeber und neue Einstellungskriterien für Verteidigungsminister, schien ihr „Energiekonzopt“ bis heute nicht einmal durch  explodierende Atomkraftwerke erschüttert werden zu können.

Moratorium contra Ausstieg vom Ausstieg

Nun die Kehrtwende. Merkel und Westerwelle verkünden plötzlich ein dreimonatiges Moratorium für den Ausstieg aus dem Ausstieg. Heißt also im Klartext, dass der gestern noch als bloß ideologisch und unnötig angesehene Atomausstieg der Ära Rot/Grün ab Morgen wieder gilt. Außerdem werden die gestern angeblich noch den höchsten Sicherheitsmaßstäben genügenden Kraftwerke, die diesem Atomkonsens zufolge mittlerweile vom Netz wären, morgen voraussichtlich abgeschaltet. Vorübergehend. Wenn die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Bremen abgelaufen sind, schaltet man die Kraftwerke dann wieder an und hält an den verlängerten Laufzeiten fest? Merkel spricht morgen mit den Länderchefs und Energiekonzernen um genau diese Eventualitäten zu beraten. Bei den letztmaligen Ergebnissen solcher Verhandlungen darf man gespannt sein.

Ich erwarte, dass durch für die Energiekonzerne eine Entschädigung ihrer Umsatzeinbußen bis zu den Landtagswahlen beschlossen wird. Danach werden die Kraftwerke wieder ans Netz kommen oder weitere Zahlungen fließen. Das wäre ja auch innerhalb der konservativen Argumentationslogik nur konsequent. Wo kämen wir denn sonst hin, wenn demokratisch legitimierte Prozesse einfach ausgesetzt oder gar umgekehrt werden? Wo bleibt die Verlässlichkeit der Politik, wenn man aufgrund von schlechten Umfragewerten oder zehntausender Demonstranten einfach Bahnhofsbauten abbrechen oder Atomkraftwerke stillegen würde? Das ist inkonsequent und nicht hinzunehmen. Es würde den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährden, da langfristige Planungen für Wirtschaftsunternehmen nicht mehr möglich wären. So war jedenfalls bisher die Haltung der CDU.

Alte Risiken – Neue Ängste

Jetzt also anders herum und die CDU gehört plötzlich zu den Parteien, die einfach mal dagegen sind. Ich frage mich ehrlich gesagt, warum sie das ist. Zeigen die Kernschmelzen durch ausfallende Kühlung in Japan eigentlich irgendetwas an, das man nicht schon vor einem Jahr wusste? Dass Kraftwerke außer Kontrolle geraten, Kernschmelzen vorkommen können und jedes AKW nun einmal ein Restrisiko birgt, das ist nun wahrlich nichts Neues. Neu ist dabei nur, dass man sich dessen wieder bewusst wird und nicht mehr glaubt, so etwas könne nur besoffenen Russen in irgendwelchen Steppenkraftwerken passieren. Man spekuliert wohl darauf, dass sich in drei Monaten nicht nur die Brennstäbe, sondern auch die Gemüter abgekühlt haben werden.

Dann könne man wieder zu jener, jetzt angeblich zur Disposition gestellten, Alltagsordnung zurückkehren –  wenn Mappus erst in seinem Amt bestätigt wurde. Das ist ja tatsächlich nicht so unwahrscheinlich, obschon er zwar für die Verlässlichkeit „demokratischer Entscheidungen“ mit Wasserwerfern und Schlagstöcken kämpfen ließ – nun aber als vehementester Vertreter der Laufzeitverlängerung plötzlich selbst die Zukunft seiner AKWs offen lässt. Zwischen den jetzigen Ereignissen und den Wahlen liegt nämlich nicht mehr ein ganzer Winter, der die Gemüter der Demonstranten so weit auskühlt, dass sie lieber zu Hause bleiben und dann doch brav ihr Kreuz bei der Partei machen, die schon immer das Synonym für Verlässlichkeit und Werterhalt war.

 

Nun muss sich also sogar Mappus bewegen. Es lässt sich mutmaßen, dass er das nicht gerne tut.

 

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2 Antworten zu Moratorium: Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg

  1. Jean Stubenzweig sagt:

    Die Slomka ist mir bereits mehrfach unangenehm aufgefallen. Es begann mit einer verlogenen Missionstour in Afrika. Um die armen Kinderlein ging’s dabei. Das bestätigt sich mit diesem Heute-Beitrag. Da fehlte nur noch das (im N)Amen der Kirche, in die viele daraufhin gerannt sein werden, um sich bei dem da oben über soviel öffentlich-rechtliche Friedfertigkeit zu bedanken.

    Sicher ist das problematisch. Auch mir ist nicht wohl bei dem Gedanken. Aber das ist mir auch nicht die Vorstellung, der Kerl könnte seine Macht wieder festigen. Ich muß darüber hinaus annehmen, daß manch ein Politikerfähnlein einmal mehr die Richtung ändern würde.

    Dann könnte endlich wieder zum alltäglichen Fortschritt übergegangen werden, der in Japan gerade ein bißchen am sinken ist. Dann könnte die Deutschen alle ihre AKW abschalten, weil es wenigstens für den Zeitraum anfallender Wahlen wieder ein bißchen mehr Öl gäbe. Und da in einem Jahr wahrscheinlich ohnehin niemand mehr über das Land spricht, in dem hin und wieder ein Sack Reis umfällt, dürfte der Wind wieder eine andere Richtung einnehmen. Immer das Fähnchen hochhalten!

    • gonzosoph sagt:

      Jaja, frei nach Tucholski, braucht der Mensch sein Fähnlein so sehr er seine Leber braucht. Anders als diese, dreht sich das Fähnlein auch gerne mal im Wind und wechselt dabei sogar manchmal die Farbe. Ich wollte noch auf ihre Antwort in ihrem Blog weiter eingehen, aber in der Ferne komme ich momentan kaum dazu, ein paar wüste Zeilen in meinen eiges zu kritzeln. Das bitte ich zu entschuldigen. Wird alles zu gegebener Zeit nachgeholt!

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