Herr Kosminski, Sie inszenierten jüngst Wagners „Tannhäuser“ in Düsseldorf. Schon vor der Premiere wurde ihre Darstellung des Minnesängers als SS-Mann mit Gaskammern, Vergewaltigungen und ganz viel Blut kontrovers diskutiert.
Kosminski: (lacht) Ja, das war schon ziemlich krass.
Es gab schon nach weniger als einer halben Stunde die ersten Buh-Rufe.
Kosminski: Wenn ich ehrlich bin, war es ja auch nicht anders zu erwarten. Relevante Kunst muss immer polarisieren, noch dazu im Ruhrgebiet, da ist es ja ein größerer Affront, überhaupt eine Oper aufzuführen, als irgendwelche Leute in Naziklamotten zu stecken.
… Nunja. Ist das also die Botschaft Ihrer Inszenierung, eine Kritik der unaufgearbeiteten NS-Vergangenheit?
Kosminski: Also so würde ich das nun nicht verkürzen wollen. Sehen Sie, wahre Kunst sollte keine eindeutige Message haben, sonst missbraucht Sie sich ja selbst als Sprachrohr für irgendeine Gruppe – ob nun politisch oder auch nur modisch. Ich würde deshalb überhaupt nicht sagen, dass die Isnzenierung der Oper irgendeine besondere Message hat. Die bringt erst das Publikum mit (lacht).
Also spielen Sie mit der Inszenierung auch nicht auf Wagners offenkundigen Antisemitismus an?
Kosminski: Wie kommen Sie denn bitte darauf?
Nun ja, die Verbindung liegt doch recht nahe, wenn eine als SS-Offizierin gekleidete Venus den Tannhäuser dazu verfüh…
Kosminski: Nein, wie kommen Sie darauf, dass Wagner Antisemit gewesen sei? Was ist denn das für ein Blödsinn.
Er hat ein Buch über den negativen Einfluss des Judentums auf die Musik verfasst, es gibt auch sonst viele dementsprechende Zitate von ihm.
Kosminski: Ach das gibt es doch von Luther auch alles. Hitler hat gerne Opern von Wagner gehört, ja. Er hat auch gerne Disneyfilme gesehen. Drehen wir deshalb Disney heute noch einen Strick daraus?
Nein, Walt Disney ist ja längst tot, aber der war doch ebenfalls Antisemit.
Kosminski: Ach wenn wir nun auf die Goldwage legen, wer alles irgendwann mal etwas gegen die Juden gehabt hat, dann wird bald nur noch Lessing aufgeführt. Die Leute lebten doch in einer ganz anderen Zeit, ich würde das nicht so verkrampft sehen.
Sie plädieren also für einen lockereren Umgang mit Antisemiten?
Kosminski: Auf so eine Aussage würde ich mich nicht festlegen wollen. Ich bin in erster Linie Künstler. Wer nun was gesagt hat oder warum er wen nicht mag – dieses Drumherum zählt für mich nicht und deshalb würde ich auch viel lieber über meine Arbeit sprechen.
Da haben Sie wohl recht. Also gut: Marienhof, Medicopter 117 und nun der Tannhäuser – was wird ihr nächstes Husarenstück?
Kosminski: Oh, das wird großartig. Ich plane eine neue Isnzenierung von Nabucco. Die Israeliten im Gefangenenchor bekommen Pallitücher um den Hals und Nabucco selbst tritt in stilisierter SS-Uniform mit Davidsstern-Armbinde auf. Das wird der Knüller!
…darf man sich dabei wieder auf viel Blut und nackte Haut „freuen“?
Kosminski: In der Tat habe ich schon während meiner Arbeit an „Alarm für Cobra 11“ gelernt, dass große Kunst zwar nicht von Effekten lebt, aber ohne sie niemanden interessiert. Man muss den Zombis da draußen schon auch ihren Spaß zugestehen. Das haben wir auch bei „Unser Charly“ immer ganz groß geschrieben.
Mit „Zombis“ meinen Sie dabei ihr Publikum?
Kosminski: Nein! Jedenfalls nicht den großen Teil davon. Aber das können Sie trotzdem gerne so schreiben! (lacht) Ich meine die Leute, die Operninszenierungen – wenn überhaupt – nur aus dem Feuilleton kennen und nie selbst reingehen. Die muss man in die Kontroverse mit einbinden. Die muss man da abholen, wo sie sind. Schließlich zahlen die ja auch zum großen Teil unsere Gehälter, nicht wahr? (lacht)
… In der Tat. Herr Kosminski, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
[Interview muss nicht stimmen, freie Rekonstruktion]