Dass moderne, postmoderne oder gar Gegenwartskunst immer und unbedingt der Kontextualisierung bedarf um über ein ?…?! hinaus zu kommen war zumindest mein Vorurteil. Schließlich benötigt der Zwang zur Abstraktion, zur Brechung, Neuverortung und Revolution immer erst einen Zusammenhang, ein Establishment, welches überwunden oder auf das zumindest angespielt werden muss. Dass man mit solchen Präfixen allerdings auch falsch liegen kann, bewies mir mein heutiger Bummel über die Sculptura. Zugegeben, ein Großteil der Werke bleibt mir als ignorantem Laien selbst mit Kommentar an der Hand gänzlich verschlossen.
Die Nachbauten der wuchtigen Lamberti-Käfige jedoch, die noch in Sichtweite des Kirchturmes Assoziationen verwesender Outsider in die Fußgängerzone holen, bestechen nicht erst in der Reflexion. Auch die Widerbelebung des alten Programmkinos am Bahnhof mit geradezu aufdringlichen Bildern aus dem Alltag dieses Verkehrsknotenpunktes wirkte. Alles in allem bin ich recht positiv überrascht, muss ich doch konstatieren, dass etwa bei sprenkelnden Güllewagen, scheißenden Ziegen oder Pferden, denen der Arsch juckt, wenn auch nicht hochtrabende Inspiration, so doch zumindest der kindische Unterhaltungswert nicht ganz verloren geht.
So wie mir scheint es offenbar auch den meisten Besuchern zu gehen, welche dieses kulturelle Ereignis als mehr oder weniger obligatorischen Termin in ihre Freizeit integrieren und zwischendurch Kniften knabbernd auf den vielen Parkbänken herumlungern. Ich frage mich ob dies die Nachwirkungen eines eigentlichen vergessenen Ideals vom Bildungsbürgertum sind, dessen Aufrechterhaltung ich dem gemeinen Münsteraner durchaus zutraue. Hier wird eben noch samstags im Theaterfoyer gestanden! Im Angesicht der armen Gebilde, die diese Massen desinteressiert kauender und schauender Menschen mindestens hundert Tage bis zu ihrer Disposition ertragen müssen, stimmt mich meine asexuelle Objektophilie allerdings traurig: „But these people keep on moving and that’s what tortures me“. Dem Werk, so avantgardistisch es sein mag, bleibt jeglicher Aufbruch und Ausbruch verwehrt — Ein Trauerspiel. So bleiben die Käfignachbauten für mich auch das bezeichnende Werk für diesen Tag.
Der Trauerschwan „Petra“, das sei zum Schluss und als Happy End erwähnt, ist derweil wieder auf freiem Fuß. Sie erfreut sich immer noch der Liebe zu ihrem schwanenförmigen Tretboot. Bei meinem Besuch döste sie gerade mitten unter den am Aaseeufer äsenden Kulturliebhabern.
So erfüllend kann Objektophilie dann doch sein!