Früchte des Sanftmutes

Es gibt doch schon seltsame Ereignisketten. Gestern Nacht öffnete ich mein Fenster der frischen Luft wegen, die sich draußen für gewöhnlich aufzuhalten pflegt. Unbedacht schlich sich jedoch noch ein anderer Bewohner des Draußen ein: eine große, haarige Spinne. Nun ist mein Verhältnis zu Spinnentieren zwiespältig. Einerseits schätze ich ihre Arbeit im Bereich des pest-controlling sehr, dennoch müssen sie mit ihren Wuselbeinen nicht direkt vor meiner Nase herumstolzieren, noch dazu ab einer gewissen Größe. In Küche oder Wohnzimmer lasse ich sie auch gewähren, verziehen sie sich doch normalerweise bei Licht in dunkle Ecken, was jedoch im Schlafzimmer zu eher unangenehmen Assoziationen führen kann. Jedenfalls stülpte ich ein großes Glas über den wohl nicht korrekt so bezeichneten Weberknecht (aber das ist nun mal ein schönes Wort) und verbrachte ihn damit in die Küche, wo er bis auf weiteres in Untersuchungshaft gesetzt wurde. Nachdem ich durch das Glas begutachtet hatte, ob er etwaige, durch den Transport verursachte Verletzungen davongetragen hatte, legte ich mich ruhig schlafen.
Heute am späten Nachmittag sollte nun die Freilassung erfolgen. Ich räumte das stetig zugestellte Küchenfenster frei, öffnete es und setzte das Glas mit der Spinne mit Bedacht so auf die Fenstersimskante, dass sich das Tierchen nun je nach Lust und Laune mühelos abseilen oder herauskrabbeln kann. Ihm den Rückweg zu erschweren wollte ich natürlich das Fenster wieder schließen. Leider fiel mir dann jedoch etwas anderes ins Auge. Im Türrahmen scheint sich eine Marienkäferkolonie angesammelt zu haben, die sofort munter los krabbelte und flog, den neu gewonnenen Platz zu erkunden. Nun stecke ich einerseits im Gewissenkonflikt, das Fenster nicht mehr schließen zu können da ich so für den Tod einer ganzen Marienkäferherde verantwortlich wäre, doch könnte auch die Kälte, die unweigerlich durch das geöffnete Fenster eindringt, vielleicht zu meinem baldigen Erfrierungstode führen. Andererseits habe ich eine große, dicke Spinne direkt auf die doch eher harmlosen Käferchen losgelassen. Naja, das sind ja auch Kannibalen, also mal sehen was noch so passiert.

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Lasst Freiheit tönen

Die Krise ist die Kristallisation der Normalität, reines sonst auch, konzentriert. Es wimmelt davon. Kriege erhalten ihr Votum, fortgeführt zu werden, der Opfer wegen. Das Volk stimmt dem zu, kategorisch. Die Perspektiven verschieben sich, Banken kosten den Staat nun mehr als Waffen. Der einfache Mann vertraut dem Kapitalismus nicht mehr — er will sein Geld sicher wissen, seine Arbeit behalten, zur Rente Viagra auf Rezept bekommen. Das ist ein Traum von Glück, Stagnation, dem das Soll nicht entspricht, vielfach das Haben niemals entsprochen hat.
Ich sitze in einem Zimmer, immer ein Ohr an der Tür. Draußen wird gesprochen, ständig. Man kann seinen Alkohol nicht mehr alleine trinken. Seine Reden nicht nur denken. Zu sozialem Dasein gehört heute viel mehr als die Klotür auszuhängen, sich Fäuste entegegen zu ballen. Ficken muss man und einander davon Metaphern bilden. Zeichen der Macht sind nichts anderes, links eine Zepter, rechts der Reichsapfel. Ich habe vergessen, dass ich ein Mann bin und was das heißen soll. Sitze hier und koche mir Tee, trinke Kaffee jeden Tag und wechsle die Kleidung. Mein Alter ist bald kein Quarterpounder mehr. Zeit zieht im Rücken.
Aber ich schlafe recht gut, trinke sehr wenig. Die Gedanken lassen sich leicht vertreiben und vielleicht ist auch dies das Glück der Stagnation. Die Lethargische Utopie mit weit entfernten Selbstmordphantasien. Tod durch nervöse Langeweile. Herzstillstand, was für ein schönes Wort. Weit weg von all den „Du“s, denen ich mir Tintentränen nachgetragen. Ich habe wieder aufgehört zu rauchen, stelle die Versuche der Ästhetik ein. Mein Versteck nötigt mir keine Maske ab und wer nichts macht, muss es niemandem Recht machen.
Wenn sie entschuldigen — es ist schon spät.

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Lasst Freiheit tönen

Die Krise ist die Kristallisation der Normalität, reines sonst auch, konzentriert. Es wimmelt davon. Kriege erhalten ihr Votum, fortgeführt zu werden, der Opfer wegen. Das Volk stimmt dem zu, kategorisch. Die Perspektiven verschieben sich, Banken kosten den Staat nun mehr als Waffen. Der einfache Mann vertraut dem Kapitalismus nicht mehr — er will sein Geld sicher wissen, seine Arbeit behalten, zur Rente Viagra auf Rezept bekommen. Das ist ein Traum von Glück, Stagnation, dem das Soll nicht entspricht, vielfach das Haben niemals entsprochen hat.
Ich sitze in einem Zimmer, immer ein Ohr an der Tür. Draußen wird gesprochen, ständig. Man kann seinen Alkohol nicht mehr alleine trinken. Seine Reden nicht nur denken. Zu sozialem Dasein gehört heute viel mehr als die Klotür auszuhängen, sich Fäuste entegegen zu ballen. Ficken muss man und einander davon Metaphern bilden. Zeichen der Macht sind nichts anderes, links eine Zepter, rechts der Reichsapfel. Ich habe vergessen, dass ich ein Mann bin und was das heißen soll. Sitze hier und koche mir Tee, trinke Kaffee jeden Tag und wechsle die Kleidung. Mein Alter ist bald kein Quarterpounder mehr. Zeit zieht im Rücken.
Aber ich schlafe recht gut, trinke sehr wenig. Die Gedanken lassen sich leicht vertreiben und vielleicht ist auch dies das Glück der Stagnation. Die Lethargische Utopie mit weit entfernten Selbstmordphantasien. Tod durch nervöse Langeweile. Herzstillstand, was für ein schönes Wort. Weit weg von all den „Du“s, denen ich mir Tintentränen nachgetragen. Ich habe wieder aufgehört zu rauchen, stelle die Versuche der Ästhetik ein. Mein Versteck nötigt mir keine Maske ab und wer nichts macht, muss es niemandem Recht machen.
Wenn sie entschuldigen — es ist schon spät.

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Rohe Sitten

Es ist sicher nicht unbemerkt geblieben, dass hier in letzter Zeit nicht all zuviel los ist. Dieser Umstand findet seine Begründung in mehreren Faktoren: Einerseits versuche ich seit ein paar Tagen ein neues www.de Blog als Fortsetzung dieser Plattform aufzusetzen. Aufgrund meiner geringen Kenntnisse zieht sich das aber noch hin. Andererseits habe ich in den letzten Wochen mein Oeuvre aufzuarbeiten und zu gliedern versucht. Dazu in Kürze mehr.
Zum Schluss noch eine erfreuliche Meldung für alle Freunde der niveaulosen Unterhaltung mit Anspruch. Ich bin Teil einer multimedialen Casting-Show, die heute online geht. Wenn sie Lust auf hotnotpeinliches verspüren, schauen sie doch mal rein:

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flirt

Ich saß wieder im Zug, war unterwegs, wohin auch immer. Plötzlich setzt sich dieses Mädchen vor mich hin, entgegen der Fahrtrichtung. Gedankenversunken habe ich es gar nicht kommen sehen. Seltsam aufdringlich sieht sie mich an, fast schon obszön. Dabei kann ich nicht umhin ihre Verachtung zu sehen für das Außen, wie sehr sie über allem steht. Fesselnd.
Ich kram in meiner Tasche nach einem Tape, bin mir sicher es eingepackt zu haben. „Scheiß drauf“ war es betitelt. Ich kann es nicht finden und du sagst mir, du würdest es sowieso nicht haben wollen. Drückst mir einen zerknitterten Zettel in die Hand, stattdessen. Darauf steht ein Gedicht: „Das Leben ist/ nur ein Traum/ manchmal wünsche ich mir/ vom Leben zu träumen.“ Seltsam bekannt klingt das, als wäre es von mir. Dann stoppt unser Zug. Irgendwo im Nirgendwo, an einem kleinen Bahnhof ist Endstation. Die Oberleitungen sind vereist, die Geleise unpassierbar. Wir müssen warten. Du sitzt an einer Säule ohne jegliches Gepäck. Plötzlich funkt es. Wir sehen nach dem Fahrplan, doch es gibt keinen. Niemand scheint zu wissen was passieren wird. Auch ich habe kein Gepäck mehr, irgendwo ließ ich es stehen. In die Bahnhofskneipe lassen sie uns nicht hinein. Du stellst dich albern an und ich seh von Außen auch nicht anders aus, als ich mich innen sehe: Drei Tage Bart, usseliges Haar — passend, wie ich finde. Dir kommt das alles seltsam vor, erinnert dich an das Gedicht. Doch ich kann dich beruhigen, streich über dein tiefschwarzes Haar. Du schlägst vor, von nun an Banken auszurauben. Ein Wahnsinn, denn in diesem Kaff gibt es nicht eine einzige.
Ein Zug fährt ein. Du gibst mir ein weiteres Gedicht, dessen Sinn ich gleich erkenne. Deinen Blick versteh ich jedoch nicht, denn traurig siehst du mich an, während ich es lese. Es beginnt mit den Worten „Teil meines Lebens“, doch je mehr ich mich konzentriere, je wirrer werden die Buchstaben, die Sätze. Sie formen sich zu Gedanken. Plötzlich sehe ich nichts mehr, beginne meine Hände zu spüren, die nichts halten. Schmecke abgestandne Luft um mich herum. Du bist nichtmal ein Schatten mehr. Ich wache auf, ganz langsam, widerwillig, suizidal enttäuscht.

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