Nun geht er von uns und bleibt uns doch erhalten. Westerwelle gibt den Parteivorsitz auf. Gerne würden wir ihn so in Erinnerung behalten, wie die FDP ihm schon jetzt, bevor er überhaupt weg ist, demütig nachruft: Durch ihn habe die Partei nach den Miseren der 90er Jahre „zu einer bislang nie gekannten Stärke gefunden.“ Doch wenn das stimmt, warum hat man ihn dann derart demontiert?
Bis Anfang des Jahres jedenfalls legte die FDP von Landtagswahl zu Landtagswahl und sogar in der Bundestagswahl satte Prozentzuwächse vor. Wie ist dann jedoch ihr aktueller Absturz zu erklären? Dem atomaren Gau die alleinige Schuld für das Wahlkampfdesaster in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu geben, wäre sicherlich etwas verblendet, denn kaum jemand wählt die FDP aufgrund ihrer Atompolitik oder wählt sie deshalb ab. Und wenn doch, könnte dafür schwerlich jemand den Parteivorsitzenden verantwortlich machen.
Er spielte mit dem Feuer…
Es ist vielmehr anders herum: Seit einem Jahrzehnt wählen die FDP vorwiegend jene Menschen, die der Politik nicht allzu viel Vertrauen schenken und darüber hinaus generell von einem latenten Unsicherheitsgefühl geplagt werden. Auf jene Wähler zielte die stetige Rede von der Entlastung der nicht klar umrissenen „Leistungsträger“, sowie einem unklar und unverwirklicht gebliebenem „einfacheren und gerechteren Steuermodell“. Nicht zu vergessen die polemischen Anfeindungen gegen sozial Schwächere, denen zufolge inflationsangepasste Sozialleistungen mit römischer Dekadenz gleichzusetzen wären.
Dabei sind es wohl genau jene politikverdrossenen und verunsicherten Wähler, welche der FDP in Zeiten von Rezession und Krise ihre Stimme gaben, sie ihr nun jedoch verweigern, wenn die latente Angst eher in Richtung Atomkraft geht. Hier werden nicht Argumente gewählt, sondern Gefühle. Das kann in ansonsten mageren Jahren sehr erfolgreich sein, birgt aber auch eine stete Gefahr, denn Gefühle können umschlagen – unberechenbar und dann auch noch vehement.
… doch der Ofen ist aus
Westerwelle hat versucht auf diesen Gefühlswellen zu reiten und er hat es oft auch geschafft – wenn man von seinem unsäglichen Spaßwahlkampf mit dem Antisemiten Möllemann einmal absieht. Zuletzt war jedoch nur noch sehr schwer auszumachen, wer hier eigentlich wen reitet: Westerwelle die Welle der Gefühle oder sie ihn. Polemisch aufgeheizte Äußerungen machten den Vizekanzler zum wohl unbeliebtesten Außenminister in der Geschichte der BRD. Wo alle seine Vorgänger durch die Würde und den Glamour dieses Amtes eher profitierten, verlor er stetig an beidem.
Mit ihm verlor die FDP, die nach dubiosen Deals mit den Hoteliers und der Atom- sowie Gesundheitsindustrie kaum irgendeinen politischen Erfolg oder auch nur den Ansatz einer Agenda vorweisen konnte. Das einzig noch Greifbare an dieser Partei ist ihr Personal und das lautet: Westerwelle, Rösler, Brüderle. So weckt man keine positiven Emotionen und gewinnt ganz sicher keine Wahlen. Das hat auch die FDP erkannt.
Jetzt trennt sich die Partei von dem Mann, der fast zu ihrer Inkarnation geworden ist. Wie Westerwelle sich verabschieden wird, bleibt abzuwarten. Letztlich ist auch er nur ein Mensch mit den zugehörigen Fehlern und Emotionen. Und das erweckt doch fast schon so etwas wie Sympathie.
Vielleicht wird ihm ja auch zum Abschied „Smoke on the water“ gespielt. Wobei das TV Thema von „Die Biene Maja“ irgendwie besser passen würde…
Der Außenminister bekommt ja leider keine so schöne Zeremonie. Und er wird es ja nach eigenen Angaben sogar bleiben. Dafür meldet Rösler nun Ansprüche auf den Parteivorsitz an – Das kann ja was werden.