Es hat geklappt. Der Clip sitzt noch. Es blutet nicht mehr. Gleich geben sie mir nach 6 Tagen endlich wieder etwas zu essen – probehalber. Mit gemischten Gefühlen trete ich daran. Es ist schwierig mit ungekanntem Hunger langsam und vorsichtig zu essen, den Rest zurückgehen zu lassen, wenn der Magen voll ist, obschon der Körper noch weiter nach Nahrung lechzt. Aber nach drei Rückfällen kennt man die möglichen Konsequenzen. Man wird vorsichtiger und man weiß jeden Bissen zu schätzen, jeden Geschmack. Mehr als das Essen fehlt der Geschmack. Ich habe mir, hungernd daliegend, Kochsendungen angesehen – Trüffelragout. Das half zumindest sich zu erinnern, sich vorzustellen. Das Gehirn behält Geschmäcker zurück, für schlechte Zeiten vielleicht. Hoffentlich kann es nun wieder hamstern. Ich hab einen ganzen Schrank voll von Schokolade, selbstgebackenen Keksen, Nougat, Zartbitter, Weihnachtsmandeln. Ein Weihnachten, dass noch auf mich wartet. Es beginnt das Jahr nicht, bevor ich eine Tasse Kaffee mit Spekulatius genossen habe. Dann kann es kommen, das Neue.
Da ist das neue Jahr, im Nebel hat es sich angeschlichen, nachts. Plötzlich war 2008, Rattern, Pistolensalut und Feuerschein. Alles wie immer, nur ich nicht. Anämie, nüchtern und irgendwie müde, mit einer Waffe in der Hand. Seltsame Zeitenwechsel. Immerhin, seit Tagen kein Blut mehr gesehen, keine Nadel. Ich kann wieder essen und ich esse viel. Kein Wunder: 7 Kilo über die Feiertage verloren, nur noch 66k wiege ich nun – Fliegengewicht. Viel Schlaf, lesen, Zeit vertrödeln. Es hilft, nicht mehr über die Menschen nachzudenken, die mich bluten ließen. Melissentee. Aber was hilft es Homer zu lesen, den Werther? Wozu soll das führen außer zu einer Blutung; wohin, wenn nicht in sich selbst. Dahin, woher ich komme — alles normal, jetzt. Bleich wie immer. Und brennend hungrig.