Freiheit ist nämlich immer auch die Freiheit der Anderen, welche eigene Zukunftsvisionen beschränkt oder ihnen gar entgegenstehen kann.
Dennoch, Freiheit bleibt ein wichtiger Begriff. Das eigentliche Problem liegt jedoch in der Umdeutung dieses Begriffs. Die Maxime Freiheit beruht nicht mehr auf möglichst selbstständiger Entscheidung für eine Handlungsoption, sondern auf der Verfügbarkeit von möglichst vielen Handlungsoptionen, in erster Linie materiellen. So gilt heute derjenige Mensch, der sich alles leisten kann, als frei. Diese individuelle Pecuniarfreiheit des Machens und Könnens hat offensichtlich der politischen oder religiösen Rechtsfreiheit des Dürfens den Rang abgelaufen. Sie werden gerade heute aktiv gegeneinander eingetauscht. Oft wird erstere auch als „Sicherheit“ bezeichnet, traditionsgemäß eher der Widerpart der Freiheit – in diesem Zusammenhang wird deutlich warum. Auf genannte Dimension herunter gebrochen bedeutet in einer marktwirtschaftlichen Welt, deren Ressourcen verknappt sind, die Freiheit des Einen zwangsläufig die Beschränkung des Anderen. Es gibt nicht mehr Wert, als geschöpft werden kann, sondern umgekehrt. Die Ängste hierzulande, um die Früchte der Jahrzehnte an der Spitze der Exportkette gebracht zu werden, sind dabei durchaus verständlich.
Das Denkmuster Markt, wie weiter oben beschrieben, dringt in alle Deutungssysteme ein. Damit auch der Zwang zur Expansion. Dies erscheint jedoch keinesfalls als simple Raffgier oder als Geiz. Die Strukturen selbst sind nicht länger nur pecuniär, sie gehen mit einer tiefgreifenden Ideologie einher, die keine mehr sein will. Die des sog. Pragmatismus, der Machbarkeit.
Pragmatismus soll im Idealfall utilitaristisches Handeln befördern: Die Handlung wird nach dem Ergebnis beurteilt, dass für alle Beteiligten best- und das heißt heute größtmöglich ausfallen sollte. Dabei treten alle anderen Bewertungskriterien, etwa die Aktionsweise, persönliche Präferenzen und Überzeugungen der Handelnden in den Hintergrund. Natürlich versteckt sich hinter dieser Ideologielosigkeit wiederum eine eigene Ideologie mit Innen/Außendifferenz. Das Ergebnis muss nicht für alle bestmöglich ausfallen, sondern hauptsächlich für den/die Pragmatiker. Grundlegender Bestandteil dieser Ideologie ist die genannte „Eigenverantwortung“, ein Begriff der letztlich nichts anderes beschreibt als das Bekenntnis zum existentiellen Daseinskampf, wie er auch schon von anderen Ideologien behauptet wurde. Eigenverantwortung bedeutet nicht die Selbstbestimmung sondern den Zwang zur Selbstbehauptung des Individuums auf dem sog. freien Markt. Das Individuum selbst sei für die von ihm erzielbaren und erzielten Ergebnisse auf diesem Markt verantwortlich und habe deshalb pragmatisch zu handeln, um seinen Gewinn größtmöglich zu maximieren.
Der große Vorteil des Zuspruchs von Eigenverantwortung ist das dabei behauptete Fehlen jeglicher Mitverantwortung. Das Individuum kann sich jederzeit von den Handlungen Anderer so wie deren Folgen distanzieren. Es kann sich aber auch jederzeit von den Auswirkungen bzw. den erforderlichen Mitteln seiner eigenen Handlungen distanzieren, schließlich ist es neben dem selektiven Druck des Marktes auch noch den Mechanismen der Eigenverantwortung und der Gewinnmaximierung unterworfen. Schön blöd, wer dem nicht folgt, aber eben auch selbst schuld. Kontrolle und Mitleid werden somit im besten Falle lediglich überflüssig. Überflüssig ist es genauso zu erwähnen, dass der Markt dabei in keiner der oben beschriebenen Weisen wirklich frei ist. Aber wir wollen hier nun auch nicht in eine Kritik der Marktsysteme verfallen, das haben andere schon besser und grundlegender gekonnt.
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