Ihr seid so dumm

Ich neige von wenigen Ausnahmen abgesehen ja normalerweise nicht dazu, meine Leserschaft so einfach zu beleidigen. Um beleidigt zu sein, muss man sich allerdings auch erst einmal angesprochen fühlen. Das sollte bei Ihnen nicht der Fall sein. Adressat der Überschrift ist nämlich in erster Linie eine in Deutschland zwar weit verbreitete Gruppe, zu der ich den geneigten Leser eines solch gehobenen Blogs jedoch niemals zählen würde: Die dumme, dennoch meinungsstarke Masse.

Dummheit sarraziniert

Nun klingt es gleichermaßen arrogant wie verächtlich, anderen Leuten pauschal Dummheit zum Vorwurf zu machen. Spätestens seit der Sarrazindebatte aber ist auch dieses urdeutsche unter den Adjektiven endlich wieder in den Kreis des politisch Sagbaren zurückgekehrt. Man muss es nur hinreichend begründen können: Pseudogenetisch („sarrazinierend“), mit vernünftigen Gründen („ultima ratio“) oder auch durch bloße Meinung („ratio superior“) – sag ich jetzt einfach mal so.

An guten Gründen mangelt es jedenfalls nicht, diejenigen Menschen schlichtweg als dumm zu bezeichnen, die noch immer meinen Guttenberg verteidigen zu müssen. Also natürlich kann man ihn noch immer nett, sympathisch oder gutaussehend finden – da unterscheiden sich die Geschmäcker und moralischen Standards ja mitunter  – aber ihn verteidigen und seine Rückkehr als Politiker fordern?

Das ist schon ein besonderes Phänomen. Ein Minister tritt zurück, da er in seiner Doktorarbeit dreist getäuscht, geklaut und anschließend gelogen hat. Anders als bei irgendwelchen Spesen-, Steuer- oder Dienstwagenaffären lässt sich die Sache hier schnell und ohne weitere Hilfsmittel überprüfen. Man muss nur die entsprechenden Passagen seines Werkes im Internet oder in einer Bibliothek anschauen und mit den Originalen vergleichen. Da gibt es kein Vertun.

Das Internet quellt über vor Guttenberg

Dennoch machen sich allerorts erboste Menschen in Umfragen Luft, quillt das Internet förmlich über vor Unterstützungsaufrufen für Guttenberg. Die Facebookgruppen seiner Supporter ruhen niemals und verzeichnen sogar zu solch nachtschlafender Stunde noch reichlich Zuwachs.  Neben den dubiosen Initiatoren fällt jedoch vor Allem eines auf und ich bin sicher nicht der Erste, der dies bemerkt: Anhänger und Verteidiger Guttenbergs glänzen in diesen Tagen nicht gerade durch fundierte Kenntnisse der Materie oder auch nur durch valide Argumente.

Zuerst wird relativiert: Die Anderen seien ja auch nicht besser. Man solle doch erst einmal die Doktorarbeiten von Gysi und Gabriel auf Fehler überprüfen. Der Argumentation folgend, waren die Anschuldigungen bloß eine überzogene Hetzjagd der linken Systempresse. Wer Guttenbergs Rücktritt fordert, ist schlussendlich bloß neidisch auf sein gutes Aussehen oder schlicht ein Schwein/eine Sau. Es geht also nicht darum, was stimmt, sondern wer es sagt. Dem sei am Rande entgegnet:

  1. Sigmar Gabriel hat nie promoviert. Anders als in rechtskonservativen Parteien ist dies innerhalb der Sozialdemokratie anscheinend weniger wichtig um ein führendes Amt zu bekleiden. Deshalb kommen Doktortitel, die unter mehr oder weniger dubiosen Umständen erlangt wurden, dort auch bedeutend seltener bis gar nicht vor.
  2. Ich richte gerne eine „Gysiplag“ Subdomain ein, falls es tatsächlich ernsthafte Interessenten gibt, die seine Doktorarbeit sachlich zu überprüfen gedenken. Wenden Sie sich einfach mit einer Mail an gegenlinkesystempresse(AT)gonzosophie.de Es muss übrigens nicht Gysi sein – ich bin für Vorschläge immer offen.

Mal ganz im Ernst – die Desillusionierten kämpfen um den Verbleib ihres Idols, ihres Stars in der Politik. Diese Verehrung hat mit Politik nicht einmal mehr am Rande zu tun. Fragen sie einen Guttenberg-Fan doch einmal danach, was die politische Arbeit des Verteidigungs- und Wirtschaftsministers a.D. eigentlich ausgezeichnet hat. Auf die Antworten darf man gespannt warten. Man darf vor allen Dingen warten.

Politikverdrossenheit nimmt zu – Intelligenz nimmt ab

Gerade eher unpolitische Menschen finden sich auf jener Seite wieder, die sich noch immer für Guttenberg ausspricht. Das hat einen guten Grund und zeigt wiederum, dass alle Analysen hinsichtlich der Politikverdrossenheit falsch sein müssen. Sie speist sich nämlich offensichtlich nicht aus der fehlenden Glaubwürdigkeit oder Stringenz von Politikern. Sonst würden sich die Verdrossenen wohl kaum für einen offenkundigen Betrüger und lavierenden Lügner einsetzen.

Politikverdrossenheit entsteht, wie der Name schon sagt, weil die Menschen schlicht keine Lust mehr auf Politik haben. Sich nicht mehr mit sachlichen Fragen und Debatten auseinandersetzen wollen, keine Argumente bewerten wollen sondern – wenn überhaupt – Personen. Stars und fiese Schurken. Politische Prozesse und Entscheidungsfindungen werden hier solange stilisiert und simplifiziert bis sie wie eine Soap-Handlung erscheinen. Daran hat nicht nur das Wahlvolk Schuld.  Oft haben  die Medien und auch die Politik selbst sich dieser Vereinfachungen nur allzu gerne bedient. Es ist ja auch viel bequemer jemanden persönlich zu diffamieren, als seine Argumentationen zu widerlegen. Und es ist einfacher die Verschiedenheit zweier Politiker darzustellen, als die Widersprüche zweier Überzeugungen darzulegen. Diese Unmündigkeit ist also nicht allein selbstverschuldet – aber auch.

Gutte Zeiten – Schlechte Zeiten

In dieser Soap jedenfalls war Guttenberg der junge, coole Typ mit harter Schale und weichem Kern. Und in diesem Politikverständnis darf, kann es nicht sein, dass der Held einfach selbstverschuldet untergeht. Deshalb wurde Guttenberg stets als unabhängig von der Politik bezeichnet – weil seine Popularität niemals seinem eigentlichen politischen Wirken entsprang, sondern seinem imagebewussten Starkult. Man muss nun nicht gleich überzogene Vergleiche anstellen, aber solch Fandom ist schlichtweg keine Politik. Der Verbleib Guttenbergs in der CSU würde einen an der konservativen Sache interessierten Wähler nicht einmal für eine Sekunde an seiner Stimmabgabe zweifeln lassen. „(Schade, dass er weg ist.) Jetzt kommt jemand anderes dran“, würde er sagen und wie gewohnt sein Kreuzchen machen.

Diese Schar guttentreuer Spießgesellen dagegen wird sich nun anstatt von ihrem Fürsten lieber noch weiter von der Politik als solcher abwenden.  Die  eigentlichen Anschuldigungen interessieren sie genausowenig wie die weiteren Entwicklungn in Sachen Bundeswehrreform. Sie spinnen lieber weiter an der Mähr vom geradlinigen Baron, der sich schließlich opfern musste, weil er doch viel zu gut war für den widerwärtigen Alltag des politischen Berlins mit seinen Intrigen und Schlammlachten. Die Anderen sind doch nur neidisch. Deshalb wird Guttenberg nun womöglich sogar gerichtlich belangt – das glauben diese Leute tatsächlich. Das ist das Abstruse. Und es nicht so zu nennen ist schlicht falsch und dumm.

Natürlich können Sie mir vorwerfen, gegen diese schrecklich apolitische Debatte um eine starkultische Personalie mit bloßen Beleidigungen nicht gerade weiterzuhelfen, sie gar noch weiter zu verschärfen. Dann möchte ich Sie abschließend gerne auf mein brandneues Blog-App hinweisen, welches automatisch die Stichhaltigkeit ihrer Reaktion misst und anschaulich darstellt:

 

klugOmeter

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5 Antworten zu Ihr seid so dumm

  1. PeterSteiner sagt:

    Zu der Unterstützerschaft Guttenbergs auf Facebook: http://medienstratege.de/2011/03/alles-nur-ein-fake-neue-indizien-auf-gefalschte-guttenberg-fans/
    Das stärkste Indiz ist dabei mMn der konstante Zustrom über alle Tageszeiten.
    Abgesehen davon: http://merelythinking.net/?p=4477 Es sind ja eben nicht alle Fans von Gutti und noch weniger die Sarrazins in Sozialen Netzwerken aktiv. Es zeigen sich Parallelen zur Tea Party und Palinverehrern. Schreckliche Aussichten.

    • gonzosoph sagt:

      Dass auf diesen Facebookseiten nicht alles mit rechten Dingen zugeht, deute ich ja auch selbst schon im Text an und es ist an anderen Stellen schon hinreichend besprochen worden (Siehe ihre und meine Links).
      Die Aussichten sind dennoch tatsächlich schrecklich. Anders als Herr Adler halte ich das Gros der Guttifans nämlich tatsächlich für ziemlich unpolitisch. Deshalb finden Sie ihn ja so toll, weil sie ihn für einen Anti-Politiker halten. Ähnliches gilt für Sarrazin.
      Nun geht die Gefahr kaum von den beiden Personen selbst aus. Guttenberg ist zwar ein (angeblich) charismatischer Hochstapler ohne Skrupel, aber glücklicherweise verfolgt er selbst keine erkennbare politische Agenda. Sarrazin ist das genaue Gegenteil: Ein völlig uncharismatischer Bürokrat mit einer sozialdarwinistischen Agenda und dem Hang zur rhetorischen Brandstiftung. Beiden ist übrigens jeweils eine passende Ehefrau an die Hand gegeben – das ist doch schon fast romantisch. Jedenfalls müssten sich da schon 2 grundverschiedene zusammentun und sich auf seltsame Weise ergänzen, um eine politische Bewegung zu formen.
      Die eigentliche Gefahr geht von dieser schieren Masse von anti-politisch Überzeugten in diesem Land aus. Sie stürzen sich ja geradezu fanatisch auf jede Personalie, die der Politikaltag als gebrandmarkt ausspuckt – sei er nun ein kleines Würstchen oder ein Lügenbaron. Darüber hinaus gibt ihnen das Internet ein großes Organisationspotential an die Hand. Da ist nun wirklich nichts Gutes zu erwarten. Wehret den Dummheiten!

    • PeterSteiner sagt:

      Dass sich Guttenberg und Sarrazin zusammenschließen und eine (un)politische Bewegung anführen ist wohl wirklich nicht zu erwarten. Die Schnittmenge der Anhängerschaften ist aber sicherlich nicht gerade klein. Deshalb stimme ich Ihnen zu, dass gerade davon die große Gefahr ausgeht. Diesen Leuten muss nur einer vorgesetzt werden, der wie Sarrazin ihre eigenen übersimplifizierten und/oder falschen Einschätzungen der Realität und ihre Befürchtungen und Ängste pseudowissenschaftlich zu bestätigen weiß (also „die Wahrheit auszusprechen wagt“) und das „Charisma“ eines Guttenbergs besitzt. Und so einen ähnlichen Typen hatten wir ja bereits.
      Bleibt die Hoffnung, dass die viel bemühte „schweigende Mehrheit“ auf der anderen Seite steht.

  2. Im wesentlichen ist alles gesagt. Bis auf das vielleicht, was ich bei mir zum Thema geäußert habe: Mir wird schlecht, wenn ich diese Massenansammlung sehe. Denn ich habe dabei schlimme Assoziationen zu Vergangenem.

    • gonzosoph sagt:

      Zu Karneval beispielsweise? Das kann ich verstehen ;) Aber Spaß beiseite – mir wird auch schlecht. Nicht nur bei Massenansammlungen sondern bei diesen Eigendynamiken der bedingungslosen Heldenverehrung. Und das wo wir Deutschen doch angeblich stetige Kritiker und Nörgler sein sollen. Die Historie zeigt jedoch, wie Sie schon richtig andeuten: Wir können auch anders. Hoffentlich muss ich das nicht miterleben.

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