Ende

Er erwachte aus blicklosem Starren. In seinen Händen lag ein leeres Notizbuch, das er noch einmal durchblätterte. Nichts, nur sein Name darin, auf der ersten Seite. Es musste ihm gehören. Danach noch beziehungslos ein paar Sätze, Verse vielleicht. Er verstand sie nicht recht. Um ihn war es hell, warm, ein Zimmer, das er mit Blicken durchschritt. Das Fenster, ein Rechteck, angewinkelt um Luft hineinzulassen und nur hinein. Daneben ein Ankleidespiegel, seltsam deplaziert, als stelle man sich vors Fenster und kontrolliere den Sitz des Kragens, den Schnitt der Hose. Das war nicht sein Zimmer, aber er war allein, musste es schon lange gewesen sein. Im Spiegel sah er einen schwachbrüstigen Mann. Langsam kehrte der Geist zurück in seinen Blick. Es Klopfte. Er wachte auf.

Er versuchte sich zu erinnern, doch vor ihm lag nur die Weite des Feldes, das Blut an den Händen vor seinem Gesicht. Es trocknete schon, vertrocknete unter der Sonne. Er führte sie an die Lippen, die Nase, fasste Schmerz an und schreckte zurück. Die Hände glitten in seine Taschen und fanden einen großen, in Plastik gefassten Schlüssel. Ein Autoschlüssel. Nachdem er sich umgedreht hatte, sah er den Wagen am Wegesrand. Was tat er hier draußen? Allein, er war allein, aber wie lange schon?

Sie stiegen aus, gingen ein Stück. Der Wald lag nahe einer Wiese, öffnete sich zum Tal. Sein Bruder ging an seiner Hand. „Wohin gehen wir?“, grinste, „Spielen wir im Wald?“ Schwachsinnig, dachte der Bruder. Er zog den andern mit sich, zerrte ihn förmlich abseits des Weges, einen schmalen Pfad entlang. Dieser endete an ein paar Büschen, Bäumen, er ließ den Bruder los, machte noch einen Schritt zurück, spähte ins Unterholz. „Was wollen wir denn hier?“, wunderte sich der Bruder. Der Bruder sah einen Käfer an, der sich auf einem Ast sonnte. Darüber lächelte er. Dann drehte er sich um und schlug seinem Bruder mit der Faust auf den Kehlkopf, zwischen die Augen, hart, folgte seinem fallenden Körper, über ihm, schlug weiter zu, der Bruder konnte die Augen nicht schließen vor Schreck, begann zu weinen, mischte Tränen mit Blut, „was machst du?“ schluchzte er, gurgelte unter den Schlägen, stöhnte unter den Tritten, hörte auf, ließ den Atem. „Schwachsinnig“, schrie er, schlug weiter, dumpf, immer weiter, bis er nicht mehr wusste, was er da schlug.

„Hallo! Hallo! …Hallo!“ rief sein Bruder und lächelte breit. Er lächelte zurück, reflexartig, aber es war ein ehrliches Lächeln. „Schön, dich zu sehen.“ Sein Bruder umarmte ihn, sagte nochmal hallo und „das ist mein Zimmer. Was machst du hier?“ Er dachte nach und wusste es schließlich doch nicht. „Ich hab dich gesucht“, sagte er. „Hast du Zeit?“ Sein Bruder wiederholte die Frage, nickte anschließend heftig, grinste reflexartig. Wie immer. „Was willst du denn spielen“, fragte sein Bruder. Schwachsinnig, dachte der.

Dieser Beitrag wurde unter Autolyse, Postpeotik abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.