{Der Kyniker

Als ich ein Hund war,
fühlte und redete ich wie ein Hund,
drehte im Kreis mich und jagte den Steiß,
da ich ein Hund war, nicht ich.
lachte ich nicht, drehte statt dem mich
um solchen Steiß und sah
nicht dass es gut war.}

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Herbsttag

Ob es nun am Licht oder Lichtraumprofil liegt, im Herbst werden ältere Damen und Herren gerne melancholisch. Literarisch hat sie ein breites Echo gefunden, diese Inventur des Jahres und der Jahre. Alles geht, alles kommt wieder hoch und will bedacht sein, zur Sprache gebracht werden. Plötzlich bekommt man Nachricht von Menschen gleichen Alters, die noch einmal sprechen wollen. Man ist selbst nicht abgeneigt. Dabei erkennt man recht schnell, dass es gut ist, über Vergangenes sprechen zu können. Besser jedoch ist es, über Vergangenes nicht mehr sprechen zu müssen. Man schlendert einfach nebeneinander durch die Alleen und schaut durch die Lücken im Lichtraumprofil. Wer jetzt zufrieden ist, kann es lange bleiben.

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Intro

In tiefer Höhle einst lag einsam ein Mann angebunden,
Mit müden Augen er sah auf ein flackerndes Bild,

Sie wissen sicher doch schon, wen die Story behandelt?
Schnell nun den Hörer herbei! Los, jetzt rufen Sie an!

Nur eine Hand war ihm frei, um die Kanäle zu wählen,
Technik! Zum Surfen sogar, dazu taugte das Ding,
Sah alle Filme der Erde, lernte die Welt dadurch kennen,
Vieles las er im Netz, nichts blieb dem Menschlichen fremd,
Wissen saugte er auf, keines ließ er aus den Augen,
In den Sinn stieg er ein, wusste bald alles und mehr,
Schnell schon war er bekannt, sie kamen von allüberall
her und setzen sich zu dem Gebundenen,
stellten ihm Fragen, sie hörten
was er zu sagen hatte, von den Dingen
und was sie bedeuten, die Eigenheiten,
Eitelkeiten – Schattenseiten.
Munter machte man’s, gemütlich.
Leute gab’s hier, die mit bunten
Fähnchen den Saal dekorierten,
Es florierten die Kleinkünste und neben der Tür
zapfte man Bier.
Sie war eine Wonne,
fernab jeder Sonne,
die Hölle dort unten
und keiner kam je mehr herfür.

Sie war eine Wonne,
fernab jeder Sonne,
die Hölle dort unten
und keiner kam je mehr herfür.

(Entnommen aus „Klagelieder“)

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Amt

Sie tickte so laut und so regelmäßig ihr tick und ihr tack, dass sonst kaum etwas in diesem Raum so wunderbar in die Szenerie hätte einführen könne, wie diese Uhr. Es war eine große, runde Uhr und sie hing an der Seitenwand über einem Registerregal, auf dem ein Foto mit irgendeiner sonnigen Kulisse hinter sich umarmenden Menschen stand. Einer dieser Menschen schaute mich missmutig an. Ich wippte auf dem Stuhl vor und zurück, dabei betrachtete ich den Kugelschreiber in meiner Hand, den Schriftzug darauf. Früher hatte das noch Wohlfahrt geheißen, aber wahrscheinlich brachte man das besser nicht mehr zur Sprache.“Also?“ wurde ich gefragt. Ich erklärte, dass ich nun, ja wahrscheinlich wohl wohnungslos sei und anfragen wolle, bis wann ich eine neue Unterkunft würde beziehen können. Man sah mich verständnislos an. „Sie sind also akut wohnungssuchend?“ fragte man nach einer kurzen Bedenkzeit. Ich verstand die Frage nur teilweise, gab an, kein großes Aufhebens machen zu wollen, akut sei ich in keiner Hinsicht, aber ein Zimmer, vielleicht ein Bett, zumindest ein Tisch darin, das müsse man mir doch zugestehen, schließlich müsse man doch leben können. Es folgt eine Pause. „Soll das ein Witz sein?“, fragte man mich. Ich lachte zustimmend, als hätte ich die Frage verstanden. Es folgte eine Pause. „Sagen Sie, haben Sie getrunken?“ Was das nun für eine Rolle spiele, fragte ich darauf, ich habe um eine Auskunft gebeten, insistierte ich und „wenn ich richtig informiert bin, sind sie verpflichtet, mir diese zu erteilen, ob ich nun getrunken habe oder nicht!“ Man war inzwischen etwas von mir zurückgerückt, wahrscheinlich war meine Antwort zorniger verstanden worden, als ich sie hatte sagen wollen. Ich schämte und entschuldigte mich umgehend. Man schob den Stuhl wieder an den Schreibtisch. „Wie haben Sie denn Ihre Wohnung verloren?“ Man sei bei mir eingebrochen, entgegnete ich, alle meine Habe hätten sie gestohlen und mich anschließend mit Nachdruck dazu aufgefordert, zu gehen. Der letzte Teil schien zu verwirren, denn da war schon wieder eine Pause. „Es wurde also bei Ihnen eingebrochen? Dann müssen wir die Polizei verständigen!“ Die wisse schon davon, entgegnete ich ruhig, schließlich habe sie die Tür ja selbst aufgebrochen.

(entnommen aus „Geschichte“)

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Kosminskis Tannhäuser – Das aktuelle Interview

Herr Kosminski, Sie inszenierten jüngst Wagners „Tannhäuser“ in Düsseldorf. Schon vor der Premiere wurde ihre Darstellung des Minnesängers als SS-Mann mit Gaskammern, Vergewaltigungen und ganz viel Blut kontrovers diskutiert.

Kosminski: (lacht) Ja, das war schon ziemlich krass.

Es gab schon nach weniger als einer halben Stunde die ersten Buh-Rufe.

Kosminski: Wenn ich ehrlich bin, war es ja auch nicht anders zu erwarten. Relevante Kunst muss immer polarisieren, noch dazu im Ruhrgebiet, da ist es ja ein größerer Affront, überhaupt eine Oper aufzuführen, als irgendwelche Leute in Naziklamotten zu stecken.

… Nunja. Ist das also die Botschaft Ihrer Inszenierung, eine Kritik der unaufgearbeiteten NS-Vergangenheit?

Kosminski: Also so würde ich das nun nicht verkürzen wollen. Sehen Sie, wahre Kunst sollte keine eindeutige Message haben, sonst missbraucht Sie sich ja selbst als Sprachrohr für irgendeine Gruppe – ob nun politisch oder auch nur modisch. Ich würde deshalb überhaupt nicht sagen, dass die Isnzenierung der Oper irgendeine besondere Message hat. Die bringt erst das Publikum mit (lacht).

Also spielen Sie mit der Inszenierung auch nicht auf Wagners offenkundigen Antisemitismus an?

Kosminski: Wie kommen Sie denn bitte darauf?

Nun ja, die Verbindung liegt doch recht nahe, wenn eine als SS-Offizierin gekleidete Venus den Tannhäuser dazu verfüh…

Kosminski: Nein, wie kommen Sie darauf, dass Wagner Antisemit gewesen sei? Was ist denn das für ein Blödsinn.

Er hat ein Buch über den negativen Einfluss des Judentums auf die Musik verfasst, es gibt auch sonst viele dementsprechende Zitate von ihm.

Kosminski: Ach das gibt es doch von Luther auch alles. Hitler hat gerne Opern von Wagner gehört, ja. Er hat auch gerne Disneyfilme gesehen. Drehen wir deshalb Disney heute noch einen Strick daraus?

Nein, Walt Disney ist ja längst tot, aber der war doch ebenfalls Antisemit.

Kosminski: Ach wenn wir nun auf die Goldwage legen, wer alles irgendwann mal etwas gegen die Juden gehabt hat, dann wird bald nur noch Lessing aufgeführt. Die Leute lebten doch in einer ganz anderen Zeit, ich würde das nicht so verkrampft sehen.

Sie plädieren also für einen lockereren Umgang mit Antisemiten?

Kosminski: Auf so eine Aussage würde ich mich nicht festlegen wollen. Ich bin in erster Linie Künstler. Wer nun was gesagt hat oder warum er wen nicht mag – dieses Drumherum zählt für mich nicht und deshalb würde ich auch viel lieber über meine Arbeit sprechen.

Da haben Sie wohl recht. Also gut:  Marienhof, Medicopter 117  und nun der Tannhäuser – was wird ihr nächstes Husarenstück?

Kosminski: Oh, das wird großartig. Ich plane eine neue Isnzenierung von Nabucco. Die Israeliten im Gefangenenchor bekommen Pallitücher um den Hals und Nabucco selbst tritt in stilisierter SS-Uniform mit Davidsstern-Armbinde auf. Das wird der Knüller!

…darf man sich dabei wieder auf viel Blut und nackte Haut „freuen“?

Kosminski: In der Tat habe ich schon während meiner Arbeit an „Alarm für Cobra 11“ gelernt, dass große Kunst zwar nicht von Effekten lebt, aber ohne sie niemanden interessiert. Man muss den Zombis da draußen schon auch ihren Spaß zugestehen. Das haben wir auch bei „Unser Charly“ immer ganz groß geschrieben.

Mit „Zombis“ meinen Sie dabei ihr Publikum?

Kosminski: Nein! Jedenfalls nicht den großen Teil davon. Aber das können Sie trotzdem gerne so schreiben! (lacht) Ich meine die Leute, die Operninszenierungen – wenn überhaupt – nur aus dem Feuilleton kennen und nie selbst reingehen. Die muss man in die Kontroverse mit einbinden. Die muss man da abholen, wo sie sind. Schließlich zahlen die ja auch zum großen Teil unsere Gehälter, nicht wahr? (lacht)

… In der Tat. Herr Kosminski, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

[Interview muss nicht stimmen, freie Rekonstruktion]
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