Anderntags

Anderntags fanden wir also unseren Freund und Protagonisten dabei vor, wie er gerade im Begriff war das Geschirr abzuwaschen und dabei über seine Geschichte ins Nachdenken geriet. Er hatte schon den Lappen in die Hand genommen, als ihm plötzlich auffiel, dass sie ziemlich eindimensional war. Es fehlte der wirkliche Widerpart, das treibende Moment.  Ein wenig war es so, wie bei den literarischen Hunden Kafkas und Hoffmanns, dachte er zwischen Gläsern und Tellern. Da fehlte etwas und außerdem war die Perspektive ganz schief. Nun, nicht dass die meisten Menschen weniger eindimensional wären oder geradere Perspektiven hätten. Er schaute durch ein milchiges, mit Fingerabdrücken übersätes Glas. Im Gegenteil, kaum jemand verfolgte mehrere Ziele, die meisten hatten überhaupt kein Ziel. Aber sie würden doch angetrieben, trafen sich an öffentlichen Orten und stritten, redeten zumindest miteinander. Das waren vielleicht nicht immer sehr hochtrabend Themen oder dramatische Dialoge. Alles aber, was er zu bieten hatte, waren wohlfeile Betrachtungen zwischen Abwasch und Arbeit. Die sind ja noch uninteressanter! dachte er beim Abtrocknen. Eloquenz ist nicht gerade interessant und den meisten Menschen eher unangenehm. Ein bisschen so, wie ihm literarische Kängurus unangenehm waren, wenn er sie auch vielleicht nur besser hätte kennenlernen müssen, dachte er und schloss die Hängeregaltür. Ich bitte Sie, Kängurus… Zum Bildungsroman fehlten ihm jedenfalls der Mignon und die dreiste, dralle Frau. Er sann nach. Vielleicht reichte es ja für eine Parodie? Die meisten Leute lernten Topoi und Motive heute doch sowieso nur noch in Form von Parodien – wie bei Family Guy – oder durch Zweitverwurstungen wie den Herrn der Ringe bzw. Wagners Opern kennen. Er stopfte sich seine Pfeife und zündete ein Streichholz an. „Eine Parodie?“ paffte es zwischen seinen Zähnen hervor. „Dass ich nicht lache…“

 

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Berliner Elegie

Ich war allein und du warst verliebt. Ich denke das war das Eigentliche. Und wenn ich heute daran denke, dann fällt mir als Erstes ein, dass du mir aus deinen Gedichten vorgelesen hast, für die ich dich auslachte. Danach las ich dir aus meinem Testament vor und wir lagen uns die ganze Nacht an den Haaren. Das ist wirklich passiert, so lächerlich es klingt.

Wir waren niemals ein wirkliches Paar,
und alles daran war wunderbar.

…oder so ähnlich klang das bei dir; dann streunten wir durch die kommende Nacht; ich habe noch immer den Sand in meinen Chucks. Der Morgen ist so seltsam, wenn man noch jung ist; und deine Freundin fand ich eigentlich interessanter. Es konnte nichts daraus werden, das von Bestand ist. Vielleicht aber, habe ich den Großteil auch nur erfunden.

 

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Kampf der Geschlechter: Die Unmöglichkeit des Dialogs

Zum Angehörigen eines Geschlechtes wird man nicht geboren, man wird es. Dieser Satz ist richtig, da es kein rein biologisches oder sonst wie unumstößliches Geschlecht gibt. Dieser Satz ist aber auch falsch, da wir zum Angehörigen eines Geschlechtes nicht erst werden, sondern immer schon geworden sind. Sobald wir uns Gedanken über dieses Thema machen können, gehören wir längst schon einem der Geschlechter an. Sobald wir dies zu reflektieren im Stande sind, kommen wir hinter diese gesellschaftlich wie biographisch geschaffenen Voraussetzungen schon nicht mehr zurück. Das heißt keinesfalls, dass dieses Geschlecht dann feststeht. Fest steht aber, dass wir ein Geschlecht – welches auch immer – haben. Geschlechter sind keine unumstößlichen Wahrheiten, aber die Geschlechtlichkeit ist es. Zumindest zu unseren Lebzeiten und zu den Lebzeiten unserer Kindeskinder. Diese Erkenntnis mag trivial erscheinen, hat aber spürbare Folgen.

Von unbestreitbaren Ungerechtigkeiten…

Es bestehen Unterschiede und Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern. Kaum jemand wird dies leugnen. Dass wir deshalb, wo wir schon nicht für eine völlige Nivellierung sorgen können, zumindest für einen Ausgleich sorgen sollten, um Benachteiligungen abzubauen, liegt auf der Hand. Die Schwierigkeit besteht hier freilich darin, dass wir kaum für einen wirklich gerechten Ausgleich werden sorgen können.  Die Voraussetzungen dafür stehen denkbar schlecht, denn wie gesagt, gibt es hier keine neutralen Instanzen oder unbeteiligte Autoritäten. Niemand von uns kann in der Frage der Geschlechtergerechtigkeit sachlich sein, denn wir alle sind geschlechtlich. Dementsprechend unbeholfen und ungerecht sind wir auch. Wir können gar nicht anders.

Am Anfang unseres Rechtssystems stand die Auffassung, dass nach Möglichkeit nicht die Angehörigen oder Beteiligten über einen Interessenausgleich entscheiden sollten, sondern eine unabhängige Instanz. In diesem Fall gibt es jedoch  keine Unbeteiligten; im Gegenteil, wir alle sind wesentlich beteiligt. Es lässt sich dabei nicht im luftleeren Raum entscheiden. Man hat mit Tatsachen fertig zu werden, die immer schon ungerecht sind und deren Beseitigung in den meisten Fällen zu neuen Ungerechtigkeiten führen wird. Welche Blüten dies treibt, sieht man etwa, wenn im Zuge der Gleichberechtigung bei der Armee den Angehörigen eines Geschlechtes lange Haare erlaubt, den Angehören eines anderen Geschlechtes lange Haare verboten werden. Hier sollen Klischees durch Klischeehaftigkeit bekämpft werden. Das ist mittlerweile höchstrichterlich bestätigte Praxis.

… und unsachlichen Debatten.

Dieser Prozess wird also immer fragwürdig bleiben und für Diskussionen sorgen. Zu einem Dialog wird es dabei jedoch kaum kommen. Dieser unterliegt nämlich denselben Voraussetzungen: Niemand kann sachlich über Geschlechter diskutieren. Das heißt keinesfalls, dass Redebeiträge, Meinungs- oder Interessenartikulation nicht legitim wären. Natürlich sind sie in einer gesellschaftlichen Debatte berechtigt und sogar notwendig. Man wird sich jedoch niemals darüber einig werden, welche Meinungen oder Interessen wie gewichtet werden sollten. Eine solche Debatte wird immer emotional, unsachlich und ungerecht sein. Und deshalb stellt sich die Frage, in welchem Rahmen solche Debatten sinnvoll sind. Das Internet beispielsweise gilt als Katalysator für unsachlich, überemotional und ungerecht geführte Debatten. Hier wird man durch jeden wie auch immer gearteten Redebeitrag weniger erreichen, als vielmehr zerstören. Warum?

Man mag argumentieren, dass eine Veränderung der Geschlechterbilder nur dann stattfinden kann, wenn die Menschen sie in ihrem Alltag durchsetzen. Dieses Argument hat durchaus seine Berechtigung. Wir alle müssen uns schließlich immer schon an uns selbst und den Tatsachen, die wir vorfinden, abarbeiten. Die Frage ist jedoch, ob man an sich selbst und diesen Tatsachen, zu denen eben auch das Geschlecht und das Geschlechterbild zählen, etwas ändern wird, weil man dazu in einer, ob nun online ausgetragenen oder persönlich geführten, Diskussion aufgefordert wird. Dies würde ich doch sehr stark bezweifeln. Die Voraussetzungen für einen machtfreien Diskurs oder eine kontemplative Kommunikation sind hier denkbar schlecht. Beispiele des Scheiterns finden sich unzählige.

Worüber man nicht reden kann…

Wenn wir aber über so etwas nicht diskutieren können, sollen wir dann davon schweigen? Das weiß ich nicht, aber ich kann niemandem verübeln, es zu tun. Ebenso wenig würde ich hier irgendjemandem den Mund verbieten wollen. Wenn wir ihn aber schon aufmachen, sollten wir immer versuchen, den jeder und jedem gebührenden Respekt aufzubringen, jedenfalls sofern dieser uns nicht daran hindert, miteinander und vor allem über uns selbst zu lachen. Denn wo auch das nicht mehr möglich ist, geht die Diskussion mit Sicherheit in eine völlig falsche Richtung.

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Ü30

Wenn Sie mich fragten:
Wie hat sich dein Leben verändert?
Würde ich sagen: Sehr.
Auf welche Weise?
Nun ja, guttural.
Beispiel: Cognactrunken nebens Casino kotzen.
Beispiel: Weiber danach bewerten, was sie essen.
Viel rohes Fleisch – Pluspunkt.
Weniger Beiwerk eben. Wie gesagt,
wenn sie mich fragten. Aber
werden sie ja nicht tun, denn
wahrscheinlich sind sie selbst Ü30 und
wohl längst lakonisch geworden,
während sie warteten, auf Godot.
Wissen Sie was?
Völlig verständlich.

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Kleine Leute

Kommt Ihnen das bekannt vor? Der kleine Mann arbeitet in einem Kleinbetrieb, um für seine kleine Frau und das Kleine den Traum vom kleinen Häuschen im Grünen wahr machen zu können. Fakt ist aber, dass er bei seinem kleinen Gehalt nur eine kleine Rente erhalten wird und deshalb das Häuschen kurzerhand zu kleinem Preis an einen großen Grundbesitzer wird verkaufen müssen. Für diesen mag das gar keine große Sache sein, für den kleinen Mann ist dies jedoch alles andere als eine Kleinigkeit. Klarer Fall: Der kleine Mann und die kleine Frau sollten sich von der Politik der kleinen Schritte verabschieden, aufhören Kleinvieh zu sein und eine große Revolution in Angriff nehmen. Da kleine Leute aber zumeist Kleingeister sind, die keinesfalls als Gernegroß gelten wollen, geben sie kleinlaut klein bei, wollen sie doch keinesfalls großes Aufhebens um die Sache machen. Gerne sieht das der große Grundbesitzer und so endet unsere Miniatur ganz ohne größere Pointe. Schade, eigentlich.

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