Berliner Elegie

Ich war allein und du warst verliebt. Ich denke das war das Eigentliche. Und wenn ich heute daran denke, dann fällt mir als Erstes ein, dass du mir aus deinen Gedichten vorgelesen hast, für die ich dich auslachte. Danach las ich dir aus meinem Testament vor und wir lagen uns die ganze Nacht an den Haaren. Das ist wirklich passiert, so lächerlich es klingt.

Wir waren niemals ein wirkliches Paar,
und alles daran war wunderbar.

…oder so ähnlich klang das bei dir; dann streunten wir durch die kommende Nacht; ich habe noch immer den Sand in meinen Chucks. Der Morgen ist so seltsam, wenn man noch jung ist; und deine Freundin fand ich eigentlich interessanter. Es konnte nichts daraus werden, das von Bestand ist. Vielleicht aber, habe ich den Großteil auch nur erfunden.

 

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Kampf der Geschlechter: Die Unmöglichkeit des Dialogs

Zum Angehörigen eines Geschlechtes wird man nicht geboren, man wird es. Dieser Satz ist richtig, da es kein rein biologisches oder sonst wie unumstößliches Geschlecht gibt. Dieser Satz ist aber auch falsch, da wir zum Angehörigen eines Geschlechtes nicht erst werden, sondern immer schon geworden sind. Sobald wir uns Gedanken über dieses Thema machen können, gehören wir längst schon einem der Geschlechter an. Sobald wir dies zu reflektieren im Stande sind, kommen wir hinter diese gesellschaftlich wie biographisch geschaffenen Voraussetzungen schon nicht mehr zurück. Das heißt keinesfalls, dass dieses Geschlecht dann feststeht. Fest steht aber, dass wir ein Geschlecht – welches auch immer – haben. Geschlechter sind keine unumstößlichen Wahrheiten, aber die Geschlechtlichkeit ist es. Zumindest zu unseren Lebzeiten und zu den Lebzeiten unserer Kindeskinder. Diese Erkenntnis mag trivial erscheinen, hat aber spürbare Folgen.

Von unbestreitbaren Ungerechtigkeiten…

Es bestehen Unterschiede und Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern. Kaum jemand wird dies leugnen. Dass wir deshalb, wo wir schon nicht für eine völlige Nivellierung sorgen können, zumindest für einen Ausgleich sorgen sollten, um Benachteiligungen abzubauen, liegt auf der Hand. Die Schwierigkeit besteht hier freilich darin, dass wir kaum für einen wirklich gerechten Ausgleich werden sorgen können.  Die Voraussetzungen dafür stehen denkbar schlecht, denn wie gesagt, gibt es hier keine neutralen Instanzen oder unbeteiligte Autoritäten. Niemand von uns kann in der Frage der Geschlechtergerechtigkeit sachlich sein, denn wir alle sind geschlechtlich. Dementsprechend unbeholfen und ungerecht sind wir auch. Wir können gar nicht anders.

Am Anfang unseres Rechtssystems stand die Auffassung, dass nach Möglichkeit nicht die Angehörigen oder Beteiligten über einen Interessenausgleich entscheiden sollten, sondern eine unabhängige Instanz. In diesem Fall gibt es jedoch  keine Unbeteiligten; im Gegenteil, wir alle sind wesentlich beteiligt. Es lässt sich dabei nicht im luftleeren Raum entscheiden. Man hat mit Tatsachen fertig zu werden, die immer schon ungerecht sind und deren Beseitigung in den meisten Fällen zu neuen Ungerechtigkeiten führen wird. Welche Blüten dies treibt, sieht man etwa, wenn im Zuge der Gleichberechtigung bei der Armee den Angehörigen eines Geschlechtes lange Haare erlaubt, den Angehören eines anderen Geschlechtes lange Haare verboten werden. Hier sollen Klischees durch Klischeehaftigkeit bekämpft werden. Das ist mittlerweile höchstrichterlich bestätigte Praxis.

… und unsachlichen Debatten.

Dieser Prozess wird also immer fragwürdig bleiben und für Diskussionen sorgen. Zu einem Dialog wird es dabei jedoch kaum kommen. Dieser unterliegt nämlich denselben Voraussetzungen: Niemand kann sachlich über Geschlechter diskutieren. Das heißt keinesfalls, dass Redebeiträge, Meinungs- oder Interessenartikulation nicht legitim wären. Natürlich sind sie in einer gesellschaftlichen Debatte berechtigt und sogar notwendig. Man wird sich jedoch niemals darüber einig werden, welche Meinungen oder Interessen wie gewichtet werden sollten. Eine solche Debatte wird immer emotional, unsachlich und ungerecht sein. Und deshalb stellt sich die Frage, in welchem Rahmen solche Debatten sinnvoll sind. Das Internet beispielsweise gilt als Katalysator für unsachlich, überemotional und ungerecht geführte Debatten. Hier wird man durch jeden wie auch immer gearteten Redebeitrag weniger erreichen, als vielmehr zerstören. Warum?

Man mag argumentieren, dass eine Veränderung der Geschlechterbilder nur dann stattfinden kann, wenn die Menschen sie in ihrem Alltag durchsetzen. Dieses Argument hat durchaus seine Berechtigung. Wir alle müssen uns schließlich immer schon an uns selbst und den Tatsachen, die wir vorfinden, abarbeiten. Die Frage ist jedoch, ob man an sich selbst und diesen Tatsachen, zu denen eben auch das Geschlecht und das Geschlechterbild zählen, etwas ändern wird, weil man dazu in einer, ob nun online ausgetragenen oder persönlich geführten, Diskussion aufgefordert wird. Dies würde ich doch sehr stark bezweifeln. Die Voraussetzungen für einen machtfreien Diskurs oder eine kontemplative Kommunikation sind hier denkbar schlecht. Beispiele des Scheiterns finden sich unzählige.

Worüber man nicht reden kann…

Wenn wir aber über so etwas nicht diskutieren können, sollen wir dann davon schweigen? Das weiß ich nicht, aber ich kann niemandem verübeln, es zu tun. Ebenso wenig würde ich hier irgendjemandem den Mund verbieten wollen. Wenn wir ihn aber schon aufmachen, sollten wir immer versuchen, den jeder und jedem gebührenden Respekt aufzubringen, jedenfalls sofern dieser uns nicht daran hindert, miteinander und vor allem über uns selbst zu lachen. Denn wo auch das nicht mehr möglich ist, geht die Diskussion mit Sicherheit in eine völlig falsche Richtung.

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Ü30

Wenn Sie mich fragten:
Wie hat sich dein Leben verändert?
Würde ich sagen: Sehr.
Auf welche Weise?
Nun ja, guttural.
Beispiel: Cognactrunken nebens Casino kotzen.
Beispiel: Weiber danach bewerten, was sie essen.
Viel rohes Fleisch – Pluspunkt.
Weniger Beiwerk eben. Wie gesagt,
wenn sie mich fragten. Aber
werden sie ja nicht tun, denn
wahrscheinlich sind sie selbst Ü30 und
wohl längst lakonisch geworden,
während sie warteten, auf Godot.
Wissen Sie was?
Völlig verständlich.

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Kleine Leute

Kommt Ihnen das bekannt vor? Der kleine Mann arbeitet in einem Kleinbetrieb, um für seine kleine Frau und das Kleine den Traum vom kleinen Häuschen im Grünen wahr machen zu können. Fakt ist aber, dass er bei seinem kleinen Gehalt nur eine kleine Rente erhalten wird und deshalb das Häuschen kurzerhand zu kleinem Preis an einen großen Grundbesitzer wird verkaufen müssen. Für diesen mag das gar keine große Sache sein, für den kleinen Mann ist dies jedoch alles andere als eine Kleinigkeit. Klarer Fall: Der kleine Mann und die kleine Frau sollten sich von der Politik der kleinen Schritte verabschieden, aufhören Kleinvieh zu sein und eine große Revolution in Angriff nehmen. Da kleine Leute aber zumeist Kleingeister sind, die keinesfalls als Gernegroß gelten wollen, geben sie kleinlaut klein bei, wollen sie doch keinesfalls großes Aufhebens um die Sache machen. Gerne sieht das der große Grundbesitzer und so endet unsere Miniatur ganz ohne größere Pointe. Schade, eigentlich.

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Die Blaumeise

Doctor Cornelius Alt, auf dessen Wirken unbestätigten Quellen zufolge das in heutigen Zeiten erstaunlich selten ausgesprochene, aber oft gedachte Wort „altklug“ zurückgehen soll, wunderte sich nicht mehr oft, umso mehr jedoch an jenem Nachmittag, als er bei dem ihm zur Gewohnheit gewordenen nachmittäglichem Gartenspaziergang eine gleichsam dickliche wie lebhafte Blaumeise auf einem der Rankenpfosten erspähte, die sein Gärtner entgegen seiner diesbezüglichen, ausdrücklichen Weisung dennoch an mehreren Stellen in den prosaischen Lehmboden eingeschlagen hatte, weil das zu tun „nu‘ eb’n Mode“ sei. Nun ist die Blaumeise ein recht heimischer Vogel. Nicht nur lebten schon ihre Vorfahren hier, auch die winterliche Südflucht lehnt sie normalerweise, anders als viele andere, bisweilen weit mehr geschätzte Heimgefieder, rundweg ab. Zwar gibt es auch touristisch umherziehende Blaumeisen, diese werden jedoch von den heimatverbundenen Kollegen zumindest schief angesehen, wenn sie im Frühling zurückkehren. Ein solches, dem steuerzahlenden Deutschen artverwandtes Naturell sollte ihr ein beträchtliches Ansehen bei teutonischen Ornithologen, Heimatvereinen und Nationalsozialisten eingebracht haben, wenn sie nur nicht so ein unscheinbarer und, manche würden sogar sagen, langweiliger Zeitgenosse wäre, der überdies auch noch in solcher Zahl vorzukommen scheint, dass man in ihm kaum das Individuum anzuerkennen geneigt ist. Dabei hat die Blaumeise ein gar plagenreiches Leben voller Arbeit, Not, Kälte und Gefahren vor und hinter sich. Ein Leben, das sie oder mich sicher längst dazu gebracht hätte, den halslosen Kopf in den Rachen der nächstbesten Hauskatze zu stürzen. Warum also wunderte sich der Doctor über dieses doch ansonsten ganz und gar unverwunderliche Bild? Es lag wohl in erster Linie an der ungewöhnlichen Kopfbedeckung des possierlichen Gartenbesuchers, denn die Meise trug einen kleinen Hut. Nun, für eine Meise war er sicher nicht sonderlich klein, vielmehr war er ihrer Größe vollkommen angemessen. Aus menschlicher Sicht sah dies freilich ganz anders aus und den Sachverhalt aus dieser Sicht zu betrachten, darum kam Herr Dr. Alt nicht herum. Lange stand er mit halb geöffnetem Mund da, dieweil die Meise emsig pickte. Es war ein gelber Hut mit schmaler Krempe – wer hatte ihr den wohl verschafft? Hatte sie ihn selbst aufgesetzt und wenn ja, wie? Cornelius fuhr sich durch die Reste seiner Haare und fasste schließlich den Entschluss, das ihm eigene, durch und durch profunde Weltbild, dessen integraler Bestandteil die rationale Erklärung aller diesseitigen Angelegenheiten war, nicht über eine Blaumeise oder ihren Hut ins Wanken geraten zu lassen. Er entfernte sich unauffällig und stellte seinen Gärtner zur Rede, von dessen Lauterkeit er keineswegs überzeugt war. Ulrich Harneke, so hieß jener Mann, hielt die Angelegenheit zuerst und zuvorderst für einen Jux. Als der alte Herr Doctor jedoch wild gestikulierend auf seiner Schilderung des Vorfalls beharrte, kam Ulli der Gedanke, Alt hatte wohl in letzter Zeit zu lange in der stickigen Luft seiner Bibliothek zugebracht. Noch dazu rauchte er neuerdings diesen widerlichen, ausländischen Knaster mit solcher Inbrunst, dass es in der Tobakspfeife nur so knallte. Wenn diese ehrliche Skepsis seines Bediensteten den Doctor auch von seinem ursprünglichen Verdacht abbrachte, der nichtsnutzige Gärtner habe arglistig einen Hut auf eine Meise und diese wiederum an einen der von Alt mehrfach beanstandeten Pfosten geklebt, so ärgerte er sich doch über jedweden Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Schilderung seitens des ihm Untergebenen. Was ihm wohl einfiele, die Worte eines bei sämtlichen Honoratioren geschätzten Mannes, dessen Urteil stets viel gelte und der noch dazu seinen, Harnekes, Lohn – der angesichts der doch zugegebenermaßen eher nachlässig verrichteten Arbeit offensichtlich viel zu hoch sei – in Frage zu stellen. Diese grundsätzliche Kritik an seiner Arbeit sowie der hier offen zu Tage tretende Mangel an Respekt gegenüber seinen Diensten, veranlassten den Gärtner zu einigen Repliken, die hier aufgrund ihrer Derbheit nicht wiedergegeben werden sollen, zumal sie den Doctor in direkter Folge dazu anregten, nicht minder heftiges, nicht minder lautstarkes Contra zu geben, bis schließlich einer der inzwischen zur Gänze entnervten Nachbarn ein Fenster im zweiten Stock öffnete und sich seinerseits lautstark über das unchristliche Gelärme der beiden Störenfriede unter Anwendung eines Vokabulars beschwerte, das sich ebenfalls, keinesfalls gewaschen hatte. In Ihrer Wut und nun sogar noch mehr aufgebracht, dabei aber plötzlich auf einen gemeinsamen Feind vereint, begannen Alt und Harneke jetzt gemeinsam auf den Nachbarn einzubrüllen, der sich doch wohl zuallerletzt über Ruhestörungen beschweren könne, noch dazu unter Nennung des Namens Christi, alldieweil er sich nicht entdreistete, bei nächtlichen Zusammenkünften mit seiner Frau, deren Grobheit sich in ihrer dabei anhebenden Stimme nicht minder als in ihrem generellen Äußeren offenbare, nicht nur die Fensterläden nicht zu schließen sondern – man stelle sich das vor – sogar noch das Licht brennen zu lassen und der gesamten Nachbarschaft dadurch ein Schauspiel zu präsentieren, über das einem selbst nicht nur die im fortschreitenden Alter mühsam aufrechterhaltene Libido vergehe, sondern dessenthalben man sich außerdem genötigt sehe, dem Nachwuchs peinliche Fragen beantworten zu müssen, die man, wiewohl zweifelsfrei irgendwann, dann jedoch zweifelsohne lieber anhand anderem Anschauungsmaterial erklärt hätte. Vor dem nunmehr im Flug befindlichen und in ihre Richtung sich bewegenden Blumentopf des Nachbarn flüchteten sich die Verbündeten zurück in den Garten, wo zuerst Harneke wieder einfiel, weshalb die beiden, die drei, sich ursprünglich und überhaupt gestritten hatten. Die Meise saß nunmehr auf einem anderen Pfahl, stellte der Doctor sogleich fest, es schien sie also niemand dort drapiert zu haben. Der Hut wackelte fröhlich auf ihrem Kopf, während sie weiter emsig pickte. Auch Harneke staunte nicht schlecht. Nun beratschlagten sie, wie man sich die Sache einmal genauer würde ansehen können. Sie kamen überein, dass man der Meise habhaft werden müsse – nur wie? Cornelius wies Ulli dazu an, sich in Blickrichtung der Meise zu begeben und dort (aber in gebührendem Abstand, um nicht ihr Misstrauen zu erregen) wunderliche Hand- und Körperbewegungen auszuführen, um so die Aufmerksamkeit der Meise zur Gänze auf sich zu ziehen, behufs er, der Doctor, sich hinterrücks anschleichen und das Federtier akkurat ergreifen könne. Natürlich mit der nötigen Behutsamkeit, schließlich wolle er den kleinen Kameraden nicht verletzen, schien er doch ein recht außergewöhnlicher Vertreter seiner Art zu sein. Womöglich wäre es gar eine ganz eigene, neue Unterart, die fortan seinen, Alts, Namen tragen würde: Alt-Meise.

Jetzt wundert sich aber der Mensch vielleicht über eine Meise mit Kopfbedeckung, selbige wiederum findet einen Menschen, der Kniebeugen macht und sich dabei mit einer Hand an die Nase fasst, während er mit der andern ausladend winkt, keinesfalls interessant genug, um ihre Aufmerksamkeit auf ihn zu richten. So wurde sie recht bald des weißharigen Ungetüms gewahr, das sich anschickte, von hinten auf sie zuzustürzen. Man kann es ihr nicht verübeln und natürlich interpretierte der kleine Fratz das Ansinnen des vergleichsweise schnell sich nähernden Herrn Dr. Cornelius Alt völlig fehl. Die Blaumeise flatterte flugs davon, ihren Hut nahm sie mit. Die beiden Menschen jedoch sahen ihr noch lange nach.

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