Rechts – extrem?

Jeder spricht zurzeit davon und sie ist das Thema der letzten Monate: Die Fremdenfeindlichkeit der Deutschen und ihre Ablehnung von Demokratie und uneingeschränkten Menschenrechten. Moment mal … das stimmt ja gar nicht. Kann ich allerdings auch verstehen, vermiest es einem doch die große Empörung über „Integrationsverweigerer“ und „Sozialschmarotzer“. Wovon ich rede: Die neueste Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel „Die Mitte in der Krise – Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010

Um meinen sensationlüsternen Lesern zur Abwechslung mal ein paar knallharte Zahlen gleich zu Anfang vorzuwerfen:

1. „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit harter Hand regiert“ – dem stimmen zumindest teilweise 29,1% der Befragten zu.

2. „Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen“ – dem stimmen zumindest teilweise 36% zu.

3. „Die Juden haben einfach etwas Besonderes und eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns“ – dem stimmen zumindest teilweise 38,9% der Befragten zu.

4. „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ – dem stimmen zumindest teilweise 63% der Befragten zu.

5. „Über 90% der Bevölkerung geben an, weder einen Sinn darin erkennen zu können, sich politisch zu engagieren, noch das Gefühl zu haben, Einfluss auf die Regierung nehmen zu können.“

6. „Vor dem Hintergrund der geringen Zustimmungswerte zur gegenwärtigen Demokratie in Deutschland von gerade einmal 73,6% zur Verfassungsnorm und 46,1% zur Verfassungsrealität [!] ist das ein Ergebnis, das die Gefahr der rechtsextremen Einstellung in der Mitte der Gesellschaft sichtbar macht.“

Was ist an rechts noch extrem?

Die Tragweite dieser Zahlen muss man sich einmal vor Augen führen. Fast die Hälfte der Bundesbürger lehnt unsere Verfassungsrealität ab und würde schon damit durch jeden gängigen Einbürgerungstest fallen – zu Recht. Die Werte zeugen keinesfalls davon, dass Rechts“extreme“ Einstellungen ein Randphänomen unserer Gesellschaft bilden. Im Gegenteil, sie finden sich in allen Schichten, Altersklassen, Bildungsgraden und das nicht bloß vereinzelt. 8,2 Prozent der Befragten stuft man in die Kategorie „geschlossen rechtsextremes Weltbild“ ein. Will heißen: Diese Leute haben nicht einfach etwas gegen Ausländer, sie sind für eine Diktatur, überzeugte Antisemiten, Chauvinisten und bekennen sich auch dazu. Einer von zehn Deutschen …und das ist nur der ganz harte Kern. „Überfremdet“ fühlt sich mehr als die Hälfte, ebensoviele wollen die Religionsfreiheit einschränken – natürlich nur die der Anderen (Muslime).

Nun könnte ich ja beruhigt sein, denn ich habe es immer schon gesagt: Die Deutschen fühlen sich als Demokraten unwohl, haben etwas gegen jegliches Fremde und sind alles andere als weltoffen. Doch selbst ich Pessimist wurde von der weitgreifenden Aussage der Studie überrascht. Denn was sich abzeichnet ist nicht nur das Bild von vorherrschenden Ressentiments, sondern einer in ihrem Wesen undemokratischen Gesellschaft. Die Studie liefert dafür nicht nur Belege, sondern Gründe. So wird der Deutsche von klein auf undemokratisch sozialisiert: In Amerika etwa wird an den Schulen Demokratie zelebriert. Klassen- und Schulsprecherwahlen werden mit Pomp und Aufwand abgehalten, denn an ihnen lässt sich Demokratie in urtümlicher Form erleben und erlernen. Wenn ich mich dagegen an unsere Schulsprecher erinnere, kommt nur karrieristische und opportunistische Tristesse auf. Davon lernt man allerhöchstens die Schattenseiten der Demokratie. Und das mit 10 Jahren.

„Ärmel hochkrempeln, zupacken, aufbaun!

Zentraler Punkt: Der Deutsche wähnt sich noch immer in einer Schicksalsgemeinschaft, sieht sich als Teil eines großen Ganzen, für das er persönliche Opfer zu bringen bereit ist und dessen Fortleben er über das eigene stellt. Sie meinen das klingt viel zu ideologisch verbrämt und passt nicht in unsere pragmatische, individualistische und egoistische Zeit? Dann denken Sie einmal über „die Wirtschaft“ nach. Für „die Wirtschaft“ sind wir alle bereit uns gewissen Drangsalen zu unterwerfen, Entbehrungen in Kauf zu nehmen und die „Ärmel hochzukrempeln.“ Ja aber, werden Sie nun sagen, doch vor allem um unseren eigenen Vorteil daraus zu ziehen. Das allerdings stimmt eben nicht. Die Reallöhne sinken seit Jahren, der Normalverbraucher profitiert nicht mehr von Wirtschaftswachstum und Boom. Seine Lage bleibt gleich oder verschlechtert sich sogar. Trotzdem fühlt er sich besser, wenn es „der Wirtschaft“ besser geht. Er selbst mag dafür auf Lohn und Weihnachtsgeld verzichtet haben, steht finanziell schlechter dar als im Jahr zuvor – und ist doch zufriedener, solange Deutschland Exportweltmeister bleibt.

„Die Wirtschaft“ ist also für den Einzelnen keine bloß statistische Größe, die im BIP gipfelt. Man identifiziert sich selbst mit ihr. Man misst „der Wirtschaft“ weit mehr Bedeutung zu als sonstigen gesellschaftlichen Zusammenhängen oder irgendwelchen anderen statistischen Messwerten (etwa „die Umwelt“) Das jedoch nicht etwa in dem Umfang, wie man tatsächlich Anteil am wirtschaftlichen Leben hat, also etwa in Form von Lohn oder Kapitalgewinnen. „Die Wirtschaft“ bleibt ein abstraktes, ideologisches Gebilde, dessen Prosperität unabhängig von der eigenen gesehen wird. Und sie gilt überindividuell als Etwas, das uns alle verbindet und in dem wir vermeintlich alle ein verbindendes Interesse haben. Wenn „die Wirtschaft“ floriert, geht es allen besser. Davon sind wir überzeugt, selbst da es nicht mehr der Realität entspricht.

Du bist Wirtschaft!

„Die Wirtschaft“ hat „die Nation“ oder „das Volk“ als historisches Subjekt abgelöst. Das ist das Ergebnis der fortwährenden Ökonomisierung aller Denk- und Handlungsmaximen und so konnte sich der Deutsche sein ideologisches Grundmuster nach Kriegsende bewahren. Wirtschaftswunderjahre bildeten den besten Nährboden dafür. In der Folge lassen sich Repressalien gegen Arbeitslose, Migranten und sonstige Menschen, die eine (vermeintliche) Gefahr für „die Wirtschaft“ darstellen immer sehr gut begründen. Die FDP hatte bei der letzten Wahl auch Wähler unter den Arbeitslosen, nicht weil sie glaubten, die FDP würde eine arbeitslosenfreundliche Politik herbeiführen. Sie glaubten, die FDP sei gut für „die Wirtschaft.“ So steht es ja auch in deren Wahlprogramm.

Jeder glaubt doch an irgendetwas. Wo mag da nun die Gefahr bestehen? Eben das zeigt die Studie auf. Sieht der Deutsche „die Wirtschaft“ gefährdet, lehnt er auch extreme – heute noch extremistische – Maßnahmen nicht mehr ab. Sein Vertrauen in die Demokratie besteht schon jetzt nicht mehr und ihre Haltbarkeit erstirbt in dem Moment, wo sie ein Prosperieren „der Wirtschaft“ nicht mehr garantieren kann. Wann dies bei kürzer werdenden Wechselphasen von Boom und Krise der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.

„Die da unten“ und die Schuld

Weiterhin führen die gebilligten Repressalien gegen „die da unten“ dazu, dass die Angst vor dem eigenen sozialen Abstieg immer größer wird. Unsere Gesellschaft kennt selbst in Zeiten des Aufschwungs kaum einen sozialen Aufstieg, meistens eher das genaue Gegenteil und dieser Abstieg wird immer weniger durch sozialstaatliche Strukturen abgefedert. Wer davon noch nicht betroffen ist, sieht sich dennoch immer stärker bedroht. Interessanterweise nährt diese Angst vor sozialem Abstieg allerdings nicht den Zweifel an genannten Repressalien gegen sozial Schwächere: Im Gegenteil nährt sie eher noch den Rückhalt eben jener Repressalien. Paradoxe Handlungsstrategie: Man fordert die Verschärfung dessen, wovor man sich doch fürchtet. Die einzige Hoffnung, die man dabei wohl hegt, ist dass „die Wirtschaft“ es schließlich richten und der Endaufschwung uns alle wieder in Vollbeschäftigung und Lohnwunderjahre bringen wird.

Das Alles ist also ein klassischer Teufelskreis, aus dem unsere Gesellschaft nur ausbrechen kann, sofern sie entweder dauerhaften und krisenfesten Aufschwung erzeugt oder sich schlicht ihres unerschütterlichen Glaubens an „die deutsche Wirtschaft“ entledigt. Dann könnte sie, anstatt durch populistischen Maßnahmen gegen „Sozialschmarotzer“ das gesellschaftliche Klima weiter zu vergiften, dort ansetzen, wo die Probleme liegen. So ist es nämlich keineswegs Naturgesetz, dass Arbeitnehmer nicht vom Aufschwung profitieren und eine Gesellschaft keine Aufstiegschancen mehr kennt. Ob dieser Wandel gelingt, bleibt höchst fraglich. Es gibt jedoch einen viel wahrscheinlicheren Wandel, nämlich den hin zu einer Staatsform, die der oben belegten Gemütsverfassung der Deutschen besser entspricht. Die NPD wird Ihnen da mannigfaltige Vorschläge unterbreiten.

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Würde diese Zahl den Tatsachen entsprechen, sollte ich langsam Geld für’s Abo einfordern. Leider glaube ich, dass sich hinter dieser Hundertschaft nahezu ausschließlich Spam-Accounts verbergen. Deswegen werde ich nun erst einmal alle Benutzer rauswerfen. Ich bitte dies zu entschuldigen, sofern es den Falschen trifft. Jedoch kann sich jeder gerne per mail oder Kommentar an mich wenden, um wieder als Benutzer zugelassen zu werden.
PS: Auch an qualitativ hochwertigen Gastautoren bin ich natürlich immer interessiert.

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Der brave Soldat schweigt.

Sie haben es vielleicht schon gehört, in der Bundeswehr läuft so einiges schief:

>Allerdings ist die ungenügende Ausrüstung nur ein Symptom. Die Ursache liegt woanders, und auch sie benennt Robbe. „Erstens: Obwohl aus der Truppe heraus die Probleme deutlich und realistisch benannt werden, werden sie auf höherer Ebene offensichtlich nicht immer angemessen zu Kenntnis genommen. Zweitens: Anhaltende Unterfinanzierung und überbordende Bürokratie sind nicht selten Ursache für viele Probleme.“ Robbe spricht in diesem Zusammenhang gar von einer „Regelungswut“, die in der Bundeswehr gang und gäbe sei und die den gesamten Apparat lähme.< (Quelle: zeit.de)

Nun mögen Sie stutzen: Robbe? War es nicht Jürgen Weise, der mit seiner Strukturkomission unlängst vorgeschlagen hat, das Verteidigungsministerium könne zur Hälfte eingestampft werden und man werde daraus nicht Nach- sondern nur Vorteile ziehen? Genau so ist es auch. Obiges Zitat scheint daran zu erinnern, ist jedoch schon etwas älter. Es entstammt einem Artikel über den Bericht des Werbeauftragen aus dem Jahr 2008 über die schon damals bekannten Missstände innerhalb der Bundeswehr. Darin wird nämlich Jahr für Jahr aufgelistet, woran es unserer Armee alles mangelt. Von Zahnbürsten, Duschen über körperliche Fitness bis hin zu Schützenpanzerwagen.

Wenn Sterne reden könnten…

Eine wirkliche Meldung ist dies indes nur selten wert, interessiert sich der herkömmliche Bundesbürger doch für sehr viel, nicht jedoch den Dienst an der Waffe – weshalb es folgerichtig ist, die Armee in Zukunft aus der Gesellschaft auszulagern. Dem gemeinen Journalisten (Wehrdienstverweigerer und Weltverbesserer, der er meist ist) ist diese Subkultur noch fremder und oft gänzlich unangenehm. Jetzt aber zurück zum Wehrbeauftragten, der sich im April diesen Jahres mit folgenden Worten quasi aus seinem Amt verabschiedete:

>Die militärische Spitze muss sich fragen lassen, weshalb sie etliche Probleme beschönigt hat. Sie hätte sich entschieden zur Wehr setzen müssen. Wer goldene Sterne links und recht trägt, der muss auch mal den Mund aufmachen.< (Quelle: stern.de)

„Den Mund aufmachen“ ist nun einmal keine der klassischen soldatischen Tugenden. Jedoch kann sich die Bundeswehr auch nicht damit brüsten, den Mund zu halten, wenn es darum geht, auf ihre missliche Finanzierung und schlechte Ausstattung hinzuweisen. Ich frage mich dabei stets, woran es den mit lauter Exportschlagern ausgestatteten Soldaten dabei eigentlich fehlen soll. Aber das ist ein anderes Thema. Salopp gesagt: Um Soldaten geht es hier eigentlich gar nicht, dass hat auch Robbe schon festgestellt:

>Die im Grundgesetz verankerte Trennung von Truppe und Wehrverwaltung müsse überdacht werden. Sie trage zu Ineffektivität und Parallelstrukturen bei, die bei den Soldaten immer wieder das Gefühl aufkommen ließen, dass die Verwaltung nicht zum Besten der Truppe da sei, sondern die Truppe bloß als Objekt bürokratischer Akte betrachte.< (Quelle: Zeit.de)

Verwaltung als Selbstzweck

Das Thema heute ist die Kontraproduktivität eines Ministeriums, dessen Verwaltungsapparat dermaßen aufgebläht ist, dass er sich zu großen Teilen offensichtlich nur noch selbst verwaltet – wenn überhaupt. Man muss sich einmal einen Betrieb vorzustellen versuchen, in dem die Hälfte aller Mitarbeiter unproduktiv ist und wo dies über Jahrzehnte niemandem auffällt. Nun weiß jeder Arbeitnehmer, dass er besser nicht auf seine eigene Überflüssigkeit hinweisen sollte, so er seinen Job behalten will. Bei Beamten kann dieses Argument jedoch kaum ziehen, haben sie doch eine Jobgarantie. Oder zumindest eine garantierte Bezahlung. Moralisch gesehen wird es umso interessanter, wenn man jeden finanziellen Mangel innerhalb der Bundeswehr gleich mit dem Sterben von Menschen bzw. Soldaten gleichsetzt, dabei aber 1600 überflüssige Ministerialbeamte anstellt. Was die im jährlichen Schnitt verdienen und wie viel Ausrüstung man davon für die handvoll täglicher Patrouillen in Afghanistan finanzieren könnte, wage ich hier nicht zu schätzen. Mir fehlen schlicht die entsprechenden Zahlen.

Es stellt sich übrigens im Anschluss die Frage, inwieweit solche strukturellen Probleme nur im Verteidigungsministerium zu finden sind. Angesichts der nun zwingend folgenden Proteste hochrangiger Offiziere und sonstiger Beamter aus dem Verteidigungsministerium, die seit gestern händeringend darum bemüht sein werden, nach Gründen für ihre eigene Existenz zu suchen, kann ich nur folgenden Grundsatz in Erinnerung rufen:

>Man muss sich um einen Soldaten erst dann Sorgen machen, wenn er aufhört rumzumeckern.< (Lt.Cl. Gordon Tall, „Der schmale Grat“)

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Die liebe Technik…

…spart uns Zeit und viele Mühen. Wenn man sich ihr denn nicht gerade zuwendet. Dann nämlich verschlingt ein simples Update von WordPress plötzlich die Zeit, die man sonst für einen Artikel aufgewendet hätte und macht die zugehörige Seite in selbiger Dauer unverfügbar. Ich bitte beides zu entschuldigen.

Welchen Nutzen Sie vom neuen WordPress samt Widgets, Tools und Erweiterungen haben werden, kann ich Ihnen noch nicht genau mitteilen. Mein Sachverständiger für IT-Fragen war zu keiner Auskunft fähig oder willens, hat mich aber gleich dazu gebracht, einen neuen Browser zu installieren. Vielleicht fängt also das Web 2.0 für mich jetzt erst an und die vielbeschworene Revolution bricht sich nun endlich auch in meinem Leben Bahn.

gonzosophie.de Redakteure bei der Arbeit

Vielen Dank jedenfalls an dieser Stelle endlich auch mal an all die Menschen, die gonzosophie.de möglich machen. Es mag wie das Werk eines Einzelnen aussehen, aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Wie jedes große Werk, entspringt es natürlich einem sozialen Umfeld.

Ausprobieren möchte ich schlussendlich eine der neuen Funktionen, nämlich Fundstücke aus dem Web direkt einzubinden:

TITANIC | Das endgültige Satiremagazin | Online | Postkarten.

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Durchhalten, es wird besser!

Ich vertrete ja die Ansicht, dass unsere Kultur seit in den 90er Jahren, welche die Hochphasen der Ironie, Toleranz und Laissez-faire-Mentalität beinhalteten, in einem stetigen Niedergang befindlich ist. Allerorten werden nun wieder Familie, Ordnung und Pünktlichkeit propagiert, macht man sich nicht mehr lächerlich, wenn man den Macho als Idealmodell und die Ironie als Teufelswerk bezeichnet. Die Frauen scheint das härteste Schicksal zu treffen, müssen sie doch im Sinne einer „neuen Weiblichkeit“ dem ästhetischen Ideal einer gänzlich Schutz- und Nutzlosen Person nacheifern. Also sowohl auf funktionale Bekleidung oder gesellschaftlich relevante Aufgaben, als auch auf Körperbehaarung oder Kopftuch verzichten. Wie das mit dem angeblichen „Pragmatismus“ als Religion unserer Zeit zusammenzubringen ist, eröffnet sich mir nicht.

Noch schwerere Zeiten sind nun wohl für schwule Jugendliche in den USA angebrochen. Sie werden neuerdings durch eine Online-Plattform dazu aufgerufen, weiter durchzuhalten und nicht, wie zuletzt mehrfach geschehen, einfach Selbstmord zu begehen. Da mag das religiöse und betont konservative Klima in Amerika weit aufgeheizter sein als unseres und deshalb so eine Aktion sinnvoll. Was es jedoch bringen soll, Jugendlichen zu erzählen, nach dem College würden sich alle ihre Probleme in Luft auflösen, sollte man sich schon fragen.

Diese Skepsis ist jedoch sicher meiner deutschen Herkunft geschuldet, haben wir doch mittlerweile ein eher ambivalentes Verhältnis zu Durchhalteparolen, noch dazu aus den Schaltzentralen der politischen Führung. Auch mag man sich kaum vorstellen, dass unsere Kanzlerin mit ihrer betont optimistischen Redehaltung jemals irgendwen dazu bewegen könnte, frischen Mut zu schöpfen. („Da müssen sich die Homosexuellen und die Nazis an einen Tisch setzen und eine gemeinsame Lösung erarbeiten.“)

Wenn selbst Präsidenten anscheinend keine Mittel haben, als Betroffenen gut zuzureden, dann wird das zugrunde liegende Übel – wie sagt der Rotfrontfreund so schön – systemischen Ursprungs sein müssen. Doch vielleicht ist es auch einfach eine Modeerscheinung. Ressentiments sind ja laut Medienberichten wieder „In“. Um den Anschluss zum Otto-Normalverbraucher zu halten, wird meine Wochenaufgabe nun auch erst einmal sein, eine Bevölkerungsgruppe zum Diskriminieren zu finden. Für konstruktive Vorschläge in dieser Richtung habe ich immer ein offenes Ohr.

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