Schließlich

Da, ein Wort, zeigt an den Mann. Er steht allein. Und neben ihm die Welt ist nichts, was nach dem Koitus zusammen hält. Wenn er selbst noch daran glaubt, ist es ein Wille bloß, der bald zerfällt. Er trinkt und Schluck für Schluck verliert sich allbeflissene Verlorenheit. Am Ende sitzt er neben, ja unter jenen Menschen, die von Fußball viel verstehen.
Armes Lastentier Selbstmitleid, wirst du geschunden dieser Tage. Den Durst stillt keiner meiner klugen Sprüche, der Abend endet nicht, bevor das Elend ausgeschwiegen ist und weggeschwemmt. Prophetie erscheint doch immer nur als Selbstexzess.
Heut Nacht schlaf ich am Boden.
Vor kurzem schrieb ich jemandem: Wenn dich ich nicht hätte, was sollte mir dann überhaupt noch einen Anlass geben, morgens aufzustehen. Dieser Satz ist falsch. Menschen eignen sich doch nicht dazu, sein Wollen ihnen anzuheften. Auch braucht es keinen Anlass, aufzustehen. Man macht es sowieso. Zwangsläufig wacht man auf, selbst wenn man weder Sinn noch Lustgewinn mehr darin sieht, etwas zu tun. Ja, mittlerweile liegt mir nichts am Schreiben, denn Leben findet sich schon lang nicht mehr darin. Es überrascht mich demnach negativ, dass es trotzdem noch jemand liest. Ich würde das nicht tun – tue eh nicht viel noch. Es gibt nicht eine Aussicht oder Handlung, die mir irgendwie verheißungsvoll erschiene. Kein Datum, das es abzuwarten gilt. Keinen Menschen mehr, auf den ich hoffte. Das ist der Weisheit letzter Schluss.

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kein mehr

Adern aufschneiden, Blut fließen, Freiheit in die Welt tönen lassen, die aufnahmefähig dafür, wie sie abweisend ist, gegenüber Gefühlen eines Menschen – einzelnd und frei. Laken, Bodenfasern tränken damit. Lachen dicken Erdbeerflaumes bilden sich in den Senken zertrampelter Gedanken, ausgetretener Klischees einer gerechten, echten Welt. Ich war einmal. Ich zehre aus dem Mark, zerre aus dem Licht, was noch nicht verblendet ist. Ein Knall, Explosionen des Endscheiterns vor dem, was nicht Ich ist. Alles, ihr. Ich zerhacke faseriges Nervengewebe mit dem Beil. Abgetrennte Restbewegung – kopflosen Hühnern gleich, taumelt mein Selbstbewusstsein durch den Vorhof, feine Salven heißen Herbstblutes um sich spritzend. Ich habe mir eine neue Rasierklinge besorgt, wetze ihre Scharten in frischem Schleifschaum. Jeder Schnitt ist leichter als ein Knoten, weckt den Puls aus weißem Schlaf. So müde auch meine Führhand, tut sie doch den letzten Gefallen. Zittern wäre Lebenslist und so geht die Schneide schlaftrunken die Vene entlang. In Filmen wäre dies ein Geräusch, einen Cut wert. Hier nicht. Still wie der Wahnsinn ist sein Ende und ebenso hässlich.

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noch 09

Ich fühl mich heut so casual, time to getting dressed. Die lange Unterhose wärmt Leber, Nieren. Ein träges Herz friert so schnell nicht.
Da liegen Zettel, alte Briefe auf dem Küchentisch und Teller stehn darauf mit Kuchenrest und Kaffeefleck. Der Schierlingsbecher halb geleert, taugt zum Durchspülen der müden Zähne auch. Kein schöner Nachmittag, beileibe nicht.
Ich habe aufgeräumt und aus der Ordnung gähnt mir pures Glück entgegen, oder wie man das auch nennt, was all die Menschen treiben, wenn sie zweisam oder tätig sind. Ich lache folglich vor mich her, zum Lachen brauch ich heute kaum mehr einen Anlass als mein Spiegelbild und jenen Blick, den es in meine Innenräume gibt.
Dann tu ich einen Gruß an alle, die so sind wie ich. Der bleibt wohl ungehört. Mein Dasein dadurch ungestört. So ist es doch ganz gut für mich. Lange Langeweile.

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Wählen wollen

Es kommen Zeiten, in denen der Mensch Dinge in Frage stellt, derer er sich doch Zeit seines Lebens sicher war. Diese Selbstschau ist wohl die wünschenswerteste Folge dessen, was man Krise nennt: Kritik nämlich. Es hat nun einiges gebraucht, grundlegende Kritik an Wirtschaft und Gesellschaft zurück in den redaktionellen Teil seriöser Zeitungen zu bringen. Wo jahrelang nur noch über etwaige Stil- und Verfahrensfehler diskutiert wurde, stellt man jetzt grundsätzlichere Fragen. Wollen wir so weiter machen? Können wir auch anders?
Das grundsätzliche „Nein!“ verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit, wo in kürzester Zeit über weiteste politische wie geographische Grenzen hinweg ein Finanzsystem zu retten versucht wurde, obgleich man in jüngerer Zeit jegliche Einflussmöglichkeit auf selbiges wo nicht für unerwünscht, da für unmöglich gehalten hatte. Nun also doch? Man kann es zumindest versuchen.
Man kann versuchen, den vorherigen Zustand zu erhalten, in dem man ihn den neuen Herausforderungen anpasst. Diese Vermittlung nennt man Reformpolitik. Einfach zu bewerkstelligen ist diese nicht. Noch dazu in einer Gesellschaft, deren Meinung von und Interesse für Politik derart gering ist. Wie soll man einer Bevölkerung vermitteln, dass sich Dinge ändern müssen, wenn selbst deren junge, kluge Köpfe nichts anderes mehr wollen, als einen Job? Und ihr Job sei es eben nicht, Verhältnisse zielgerichtet zu verändern. Recht haben sie damit. Das ist kein Job, es ist eine Berufung.
Aristoteles war Aristokrat. Bloßen Handwerkern sprach er die Eignung zur Politik ab, da sie ihr Tagwerk für derartige Belange zu sehr in Anspruch nähme. Sein Lehrer Platon war noch weiter gegangen. Er hatte den Berufspolitikern die Eignung zur Politik abgesprochen, denn diese würden Politik als einen Job betreiben. Sie seien Banausen, bloße Handwerker. Es bedürfe mehr, das Wohl des Staates zu befördern, als ein gewisses handwerkliches Können in Verwaltungsfragen, verquickt mit einem Sinn für Populismus.
Dass Politik im wahrsten Sinne begeistert sein kann und begeisternd, scheint heute Großteilen der Bevölkerung fremd und allein die Vorstellung dessen eher bedrohlich. Was wir von unseren Politikern erwarten ist nichts weiter, als dass sie ihren Job machen. Detailfragen sind uns dabei gemeinhin egal, sofern es nur gut ausschaut. Vor allem für uns persönlich, ganz pragmatisch gesehen. Jegliche Richtungsdiskussion ist unerwünscht. Nachhaltige, gesamtgesellschaftlich ausgerichtete Reformpolitik muss dann unbequem, deshalb unpolpulär sein. Doch wird Gesellschaft so dauerhaft funktionieren? Man kann niemandem Visions- und Phantasielosigkeit vorwerfen, dem man genau das abverlangt. Verstehen sie mich nicht falsch – weder fordere ich, die Politik zu reromantisieren noch deren Professionalisierung rückgängig zu machen. Dennoch glaube ich, dass Politik mehr ist, als bloßes Staatsingeneurwesen und die viel gelobte neue Nüchternheit. Und man wird Krisen wie jene dieser Tage mit einer Feuerwehrpolitik nicht bewältigen, geschweige denn verhindern können. Wo nicht Visionen, braucht es doch zumindest Vorstellungskraft, ganz pragmatisch gesehen.
Wir können doch auch anders. Wir können plötzlich darüber nachdenken, Banken globalen Regelwerken zu unterwerfen. Dabei war global schon ein Synonym geworden für die vermeintlich einzige Regel – die des Marktes. Sie schien gleichzeitig Ursprung und Ziel aller politischen Entwicklungen der Moderne zu sein. Der Motor von Entwicklung und Fortschritt und deshalb Garant der Freiheit und Demokratie. Jeder Versuch, diese Maschinerie unter Kontrolle zu bekommen, erschien als Anachronismus aus Zeiten der großen ideologischen Systeme. Nicht nur in Amerika galten Vertreter eines „starken Staates“ als verdächtig sozialistisch.
Nun aber geht Manchem wieder auf, dass auch die Regeln des Marktes ein Regelwerk sind. Milliardenfach geschaffen, jeden Tag, von Menschen, die nichts weiter tun, als ihren Job – ob mit Keyboard, Sichel oder bloßen Händen. Wie der Gesellschaftsvertrag eine Idee, ist die Marktwirtschaft ein Konstrukt und nicht ohne Baumeister. Politik, Wirtschaftsunternehmen und jeder einzelne Mensch, der an diesem Prozess beteiligt ist, drückt ihm seinen Stempel auf. Auch du hast Einflussmöglichkeit. Wer reproduziert, der kann auch auch variieren, nachhaltig.
Man kann schon. Die Frage ist nur, wie lange die neuerliche Nachdenklichkeit in grundsätzlichen Fragen vorhalten mag. Kaum glaubt man die Talsole der Wirtschaftskrise erreicht zu haben, kehrt man wieder ab von der Umkehr. Der eigene Job scheint nicht mehr in akuter Gefahr und damit schwindet jede Motivation, sich für Veränderung einzusetzen. Selbst der Wahlkampf beschränkt sich auf den Streit darüber, ob man denn überhaupt streitet. Warum sollte man auch – ist man sich ja im Prinzip einig, was sich ändern soll: Wenig, damit alles wird, wie es war. Und so fordert auch jeder öffentliche Protest bei Studenten wie Metallarbeitern, die Rückkehr des Vorherigen. Reformieren soll man das Andere, damit das Eigene bleibt. So versucht jeder seinen Einfluss zu nutzen, seinen Einflussbereich vor Veränderung zu schützen. Dem passt sich populäre Politik an, ein schlechter Nährboden für fruchtbare Debatten. Wo ließen sich auch Dinge anstoßen, wenn das allgemeine Heilsversprechen lautet: Stillstand.
Vielleicht ist dies aber auch ein gutes Zeichen. Denn es gibt Zeiten, in denen der Mensch kaum in Frage stellt, was er Zeit seines Lebens für sicher glaubte. Wie Kritik das Produkt der Krise ist, entspringt dieses Einverständnis mit dem Gegebenen möglicherweise der Stabilität des Wohlstandes. Entweder also ist die Krise nicht so schlimm, wie gedacht, oder es wird bloß nicht darüber nachgedacht. Vielleicht ist es ein wenig von Beidem. Wo man glaubt seinen Zenit erreicht zu haben, kann alles neue nur Angst machen.
Um nun reflektiert zu handeln, müsste man sich schon berufen fühlen, über den eigenen Tellerrand zu blicken. Nicht allein Politik müsste abrücken von einer öffentlichen Debatte, in der Änderung immer nur mit Verlustängsten und Verteilungskämpfen gleichgesetzt wird. Und diese Diskussion kann man nicht bloß Berufspolitikern überlassen. Man sollte endlich die Chance ergreifen, die eigenen Gestalungsmöglichkeiten für wahr zu nehmen. Frage man nicht immer nur, was man hätte tun können. Fragen wir endlich, was wir tun wollen. Handeln wir danach.

Vorliegender Essay war Beitrag zum Wettbewerb der „Zeit“, schied jedoch bereits in der Vorrunde aus – was mich jedoch nicht davon abhält, ihnen dennoch damit unter die Augen zu treten, werte Lesende. Dafür bitte ich vielmals um Entschuldigung.

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Volonté de tous

Jedes Land bekommt die Regierung, die es verdient. So wird ein Land mit größeren und schneller anwachsenden sozialen Unterschieden, als es sie selbst in den USA gibt; ein Land dessen Kinder vor ihrer Zeugung bereits in ihren Bildungschancen determiniert sind und in dem es seit über einem Jahrzehnt ob mit oder ohne Wirtschaftswachstum keine Lohnerhöhungen gibt – dieses Land wird in Zukunft von einer Schwarz/Gelben Koalition regiert, deren Rekord FDP vor allem damit punkten konnte, neben dem Spitzensteuersatz auch die Steuerfreibeträge zu senken. Leiden Sie auch so unter dem Spitzensteuersatz? Dann scheint es zumindest Ihnen ja noch recht gut zu gehen. Beten sie nur dafür, niemals auf den Sozialstaat angewiesen zu sein. Oder nach seinem Versagen die marodierenden Horden verarmten Lumpenproletariats zumindest mit privaten Sicherheitsdiensten außerhalb der Mauern Ihrer Residenz halten zu können. Der Kollaps lässt sich eigentlich nur recht bald herbei wünschen, denn so hat man wenigstens noch nicht sein ganzes Leben in irgendwelche Versicherungen eingezahlt, die es dann nicht mehr gibt. Good bye Erhard. Semper fidelis, Weltgeist.

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