Cesare Battisti (rechts) und Fabio Filzi (1916)
Das Bild zeigt Cesare Battisti nach seiner Gefangenname durch Österreichische Truppen im dritten Jahr des großen Krieges. Lässig, stolz und in Ketten. Der Mann, dem in Italien Straßen, Plätze und Schulen gewidmet sind, von dem monumentale Statuen errichtet wurden, sieht keineswegs aus, wie man sich einen Todeskandidaten vorstellt. Und doch wird der Abgeordnete und Kriegsfreiwillige bereits am nächsten Tag am Würgegalgen erdrosselt werden. Die Bitte, seine Rechte als Offizier zu wahren und ihn standesgemäß in seiner Uniform zu erschießen, wurde ihm abgeschlagen. Stattdessen wird er als Verräter im Leiterwagen durch die ihm spottende Stadt zum Galgen gefahren. Zusammen mit einem Kameraden wird er zum Galgen geführt, hinter dem ein kräftiger Mann steht. Zwei Gehilfen heben ihn an den Pfosten, von hinten legt sich eine weiche, eingeseifte Hanfschlinge um seinen Hals. Sofort schnürt sie sich zu, die Gehilfen ziehen ihn ruckartig nach unten. Die Schlinge … reißt. Ein „technischer Defekt“. Der Delinquent fällt zu Boden, die Gehilfen übereinander. Der Henker ist peinlich berührt und schaut etwas ratlos die Vertreter der Standgerichtsbarkeit an. Die beiden losen Enden hält er noch in Händen. Nach gängigem Brauch und alter Sitte hat eine missglückte Hinrichtung die Begnadigung des Verurteilten zur Folge. Aber den „Ursächer des Banditenüberfalls Italiens auf die Monarchie“ kann man nicht begnadigen, trägt er durch seine politische Tätigkeit doch die Verantwortung für „Ströme schuldlosen Blutes unserer Braven gegen den welschen Erbfeind“. Die Hinrichtung wird wiederholt. Wieder wird Battisti an den Galgen gehoben, wieder legt sich ihm die Schlinge um den Hals, wieder zieht es ihn mit aller Macht nach unten. Und diesmal funktioniert alles zum Wohlgefallen der zahlreichen Schaulustigen. Applaus, Bewusstlosigkeit und Tod treten in weniger als einer Minute ein. Sein Gesicht wird erst blutrot, dann sehr schnell totengelb. Die Schlinge wird an einem Haken auf der Rückseite des Pfostens befestigt. Der Tote bleibt nach der Hinrichtung noch einige Zeit am Würgegalgen. Man stellt sich für ein Erinnerungsfoto neben ihm auf, lächelt freundlich, ja freudig in die Kamera. Auf einem Podest hinter dem Galgen steht dabei ein stämmiger, stolzer Mann mit schmucker Melone auf dem Kopf und großem Schnauzbart im fröhlichen Gesicht. Es ist Josef Lang, der Henker. Das Foto wird auf Postkarten gedruckt und geht um die Welt.
Josef Lang nach der Hinrichtung von Cesare Battisti
Wie unwirklich erscheint dieses Bild dem heutigen Betrachter? Ein lachender Henker mit feixenden Schaulustigen über einem Erdrosselten. Es übt eine perverse Faszination aus, da sich in einem selbst alles gegen diese groteske, pietätlose Heiterkeit sträubt. Und doch ist dieses Foto für seine Zeit nicht ungehörig. Josef Lang war eine Figur des Öffentlichen Lebens im k.u.k. Österreich. Nicht gerade ein Popstar, aber bei Weitem kein Unbekannter. Der kleinbürgerliche Kaffeehausbetreiber aus Wien war gern gesehener Gast in Gesellschaften, prahlte mit seinem Erfolg bei den Damen aller gesellschaftlichen Schichten und gab freimütig Interviews über seine Profession und die besondere Technik der Strangulation, die er von seinem Vorgänger erlernt und mit Eifer und „Ehrgeiz“ perfektioniert zu haben glaubte. Es erschienen Aufsätze und Zeitungsberichte darüber, sogar in den Vereinigten Staaten, deren Methode des Hängens durch eine Falltür er als „rohe Abschlachtung von Gesetzes wegen“ ansah. Seine Strangulation dagegen sei nicht nur „schmerzfrei“ sondern löse gar „Wohlgefallen“ aus, von dem angeblich zahlreiche Samenergüsse bei den Gehenkten zeugen würden. Lang habe die Probe aufs Exempel einmal von einem Gehilfen an sich selbst machen und sich von ihm würgen lassen. Natürlich mit dem besonders feinen, eingeseiften Doppelstrick, auf den Lang so schwor. Vermutlich diente das fragwürdige Experiment, das ihn „Orgelspiel und Engelsgesang“ habe hören lassen, allein dazu, etwaige Fehlerquellen aufzudecken und abzustellen. Der Mann war schließlich mächtig stolz auf die humane Umsetzung seines Handwerks, dem er ganz anders begegnete, als jene, oft aus dem Schlächterberuf stammenden Beilhenker, wie sie etwa im Deutschen Reich noch ihre Beschäftigung fanden. Und so hatte er weiten Einfluss auf die Scharfrichterei in den Nachfolgestaaten der Donaumonarchie: Der Würgegalgen war auch in Ungarn und der Tschechoslowakei weiterhin das Mittel der Wahl, wenn ein Todesurteil zu vollstrecken war.
Josef „Pepi“ Lang jedoch wurde nach verlorenem Krieg a.D. gestellt. Die Todesstrafe war in Österreich abgeschafft worden, ebenso wie die Monarchie. Lang blieben nur noch seine Memoiren. In den folgenden Jahren bis zu seinem Tod im Februar 1925 verdingte er sich, da die kleine Henkersrente nicht reichte, in prekären Beschäftigungen und als Hausmeister. Die Zeit der Republik beendete die Hinrichtungen in Österreich aber nur vorübergehend. Als mit den weltwirtschaftlichen Krisenzeiten und dem Erstarken des Austrofaschismus die inneren Spannungen in Österreich ihren Siedepunkt erreichten und es zur Errichtung des klerikalfaschistischen Ständestaates kam, brauchte die autoritäre Regierung Dollfuß für den Vollzug der wieder eingeführten Todesstrafe erneut einen Henker. Und so suchte man händeringend nach jemandem „mit wirklicher Erfahrung“ in dieser nicht gerade sonderlich verbreiteten Profession, bis man abermals in der Familie Lang fündig wurde. Der frühere Polizeibeamte und anschließende Versicherungsvertreter Johann Lang hatte seinem Onkel Josef einige Male bei Hinrichtungen am Würgegalgen assistieren dürfen. Dies befähigte ihn wohl ausreichend, die Familientradition fortzuführen und das Amt des offiziellen österreichischen Scharfrichters zu übernehmen. Auch er richtete mit dem Würgegalgen und musste an ihm in den Folgejahren mehrfach Amtshandlungen durchführen, denn Österreichs Regierung erlebte unter Dollfuß Aufstände, Straßenkämpfe und Putschversuche von Sozialdemokraten wie Nationalsozialisten, denen Dollfuß letztlich selbst zum Opfer fiel. Das autoritär regierte Österreich war eingeklemmt zwischen dem nationalsozialistischen, auf Expansion drängenden Deutschen Reich auf der einen und dem faschistischen Italien auf der anderen Seite. Hatte man lange auf Mussolinis Unterstützung zur Wahrung der eigenen Unabhängigkeit gehofft, wurde Italiens stärker werdende Annäherung an Hitlerdeutschland immer offensichtlicher. Außenpolitisch isoliert, innenpolitisch mit einer wachsenden nationalsozialistischen Bewegung konfrontiert, die offen den Anschluss an das Reich forderte, ließ auch Dollfuß‘ Nachfolger einige, heute würde man wohl sagen, politisch motivierte Straftäter hinrichten. Die Unabhängigkeit Österreichs konnte dadurch letztlich nicht bewahrt werden. Dem Henker wurden diese Hinrichtungen jedoch zum Verhängnis. Und nicht nur ihm.
Kurz nachdem Österreich Teil des Deutschen Reiches geworden war, geriet Hans Lang, Johann Langs Sohn, in Sippenhaft. Da sein Vater der Henker eines nationalsozialistischen Mörders und Putschisten gewesen war, dem man im Deutschen Reich Straßen, Plätze und Schulen widmete, wurden beide in Konzentrationslager verschleppt. Ob Johann Lang, ermordet am 22. Juni 1938 in Dachau, sowie sein Sohn Hans, ermordet am 22. August 1938 in Flossenburg, durch die von ihrem Onkel und Großonkel „Pepi“ als besonders human propagierte Strangulation starben, ist nicht bekannt. Es existieren davon weder Fotos noch Postkarten. Der Würgegalgen jedenfalls hatte nach dem Anschluss Österreichs auch in reichsdeutschen Konzentrationslagern Verbreitung gefunden. Die Familie Lang aber wurde nicht hingerichtet, sondern vernichtet.
Bis 1950 starben in Österreich noch Verurteilte am Würgegalgen. Aktuell ist die Todesstrafe dort wieder abgeschafft. Fotos von Henkern und Hingerichteten finden sich heute nicht mehr auf Postkarten, sondern im Fernsehen und Internet.