Endlich normale Menschen

Ein klassischer Abgang – als sie geht, beginnt es dicke Tropfen zu regnen. Es donnert. Ein reinigendes Gewitter nennt man das wohl. Schlussstriche ziehen, vorgezeichnet sind sie ja bereits, auf den Straßen etwa. Nur an gewissen Stellen zu überqueren. Auf Lichtzeichen hin, die Menschen ähneln. Verzerrt, fast wie das Leben entstellt. Wäre Verwesung kein höchst lebendiger Prozess, sie würde keinen Ekel erregen. Totes ist nicht hässlich, niemals. Doch das sind abstrakte Gedanken. Ergebnisorientiert muss man denken. Sich wieder angewöhnen, den Selbsthass auf andere zu projizieren; sich abgewöhnen, seinen Selbstwert anderen zuzuerkennen. Lernen sollte man, Menschen nach ihren Taten zu bewerten; nicht nach den eigenen Gedanken. Das klappt so nicht. Uns klappt nicht.
Ich war auf der Straße und dort war es so heiß, wie ich betrunken. Ich weiß nicht, wusste nicht, was ich dort sollte. Aber ich bin mir sicher dort gewesen zu sein. Nicht nur ich bin es gewesen. Teil war ich, Teilmenge. Es gibt ja Situationen, die klingen vielsagender als sie sind. So etwa: Zwei Sekt bei Vollmond. Doch dann schmeckt der Sekt nicht und ihr schmeckt es gar nicht. Der Mond bewegt sich auch viel zu schnell. Aber das war etwas anderes. Das war davor.

„Schon wieder da?“ Die einzige Frage ist es, die man mir noch stellt. „Schon?“ Hätte ich später kommen sollen, oder überhaupt nicht? Ich bin mir selbst nicht mehr ganz sicher. Entschuldigen werde ich mich in keinem Fall. Das ist Teil des New Deal. Wann war das? Da waren Menschen, die schlugen aufeinander ein. Irgendwie erinnerte mich das an mich selbst. Gemahnte mich, Prioritäten zu überdenken. Konsequenzen abzuwägen und Menschen umzuwerten. Letztlich kommt man dazu, sämtliche Allsätze zu verwerfen. „Liebe ist alles“ „Alles ist schlecht“ „Was soll das alles?“ – Ungültige Ausdrücke. Klarheit, Einzelaussagen braucht es. „Ich liebe X“ „Ich hasse X“ „Ich suche einen Mitbewohner Y“. Welcher Term soll es sein?

„Menschen bringen einen weiter!“, sagte sie, als wir wieder an genau derselben S-Bahnhaltestelle ankamen, an der wir ausgestiegen waren. Plötzlich liefen wir mitten in diesem Umzug mit. Schwule waren es, Frauen und Fetischisten. Abneigung erntete nur ich.
Aber irgendwann hört auch das Denken auf. Damit die Zeit. Endlich wird sich das Fühlen verlieren. Eines Tages wachst du auf und es ist der letzte Tag, vom Rest deines Lebens.

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Er

Er bereist das Land schon wieder quer, von ihr zu ihr. Er weiß schon wieder nicht, was er wo soll, wohin, woher. Da steht er hart im Wind. Da sitzt er weich, allein. Und längst schon reicht die Fahrt, das Neue reicht nicht aus. Das Meer.
Da liegt nichts an. Da ist kein Wunsch, ein Wollen nicht. Wenn er denn träumt, dann träumt nicht er. Und hinterher bleibt es doch stets zuvor. Die Tage liegen unvermengt, die Nächte ziehen leer daher. Er will schon lang nicht mehr.
Eine Stimme hört er noch, als wenn es seine wär. Nur wenn sie spricht, fällt ihm das Atmen nicht so schwer.

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Da zog einer aus…

Da mein Umzug nun handfest wird, bitte ich etwaige Leerläufe hier zu entschuldigen. Sollte sich jemand als Gastautor betätigen wollen, um den Platz auszufüllen – einfach mailen oder in den Kommentar posten.

PS: Zur Auszugsparty heute Abend lade ich herzlich ein.

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Vom Schleck (Alltagslyrik III)

Lecken wollen Groß und Klein.
Jedem fällt was Leckres ein.
Doch man braucht schon ein Objekt,
denn sonst würde nichts geleckt.
So zum Beispiel Eis am Stiele,
eine Kugel oder viele.
Lecken können sich zwei Frauen,
doch man sollte nicht drauf bauen,
dass es was zu sagen hätte –
ist ja fast schon Etikette.
Mancher leckt gern LSD,
`n Andrer schlürft Melissentee –
das jedoch: Nicht mein Metier.
Was ich letztlich sagen will,
kurzer Satz mit wenig Stil,
und er fordert– quel dommage:
Lecken sie mich doch am Arsch!

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Sinnieren

Manche Debatten ziehen sich nicht allein durch die Geistesgeschichte der Menschheit, sondern erstrecken sich auch über die eigene Biographie. Vornehmlich die Frage nach Sinn oder Unsinn des Lebens selbst. Da man schnell glaubt keine Antwort auf diese Frage finden zu können, so gewöhnt man sich mit der Zeit daran und hört schließlich auf zu fragen. Ob Sinn oder Unsinn – es ist Alltag, das reicht zur Legitimation völlig aus. Schwerlich ließen sich auch so alte Gewohnheiten wie das Weiterleben einfach ablegen.
Doch ehrlich gesagt lässt sich diese Trägheit weder durch triftige Gründe, noch hoffnungsreiche Perspektiven begründen. Glauben sie tatsächlich irgendwann einmal glücklich zu werden? Statistisch gesehen liegen sie damit völlig falsch. Aber statistisch gesehen sollten sie es trotzdem glauben. Es ist ja auch nicht weiter verwunderlich, dass nicht glücklich werden kann, wer sich noch fragen muss, ob er’s denn ist. Dies jedoch nicht, wie so oft angenommen, weil Naivität und Vollbeschäftigung notwendige Vorraussetzungen wären für das Glück (s.a. „Dumm sein und Arbeit haben, das ist Glück.“) Viel Schlimmer noch! So etwas wie das Glück gibt es doch gar nicht. Sicher, man redet viel davon. Aber: Denkt man erst einmal darüber nach, löst es sich auf. Es ist wie mit der Religion. Und flüchtiger noch, als jede Utopie.
Aber wer sagt eigentlich, dass Wert im Leben unbedingt des Glücks bedarf. Ist etwa nur glückliches Leben wertvoll und anders herum: Ist Leben wertvoll denn auch glücklich? Ich denke gegen Beides spricht sehr viel. Nicht allein in punkto Kunst, auch auf dem Feld der Wissenschaften schufen gerade jene Menschen Werte ohne Flüchtigkeit, die von Zeitgenossen kaum für glücklich angesehen wurden. Das Grandiose ist des Wahnsinns liebstes Kind. Wohl mancher manisch depressive Suizidiär hat während seines kurzen Erdenaufenthalts mehr beigetragen zu der Menschen Zeitenwerk, als Glückspilze es allesamt seit es jeher wohl zu tun vermochten.
In Anbetracht dessen kann man wohl nicht umhin als Gruß nunmehr „Verdrießlichen Tag!“ jedem zu wünschen, den man schätzt. Es füllt ja auch die purste Lebensunlust das Dasein dauerhaft nicht aus. So hat es durchaus seinen Grund, warum man Vorstellungen von letztem Glück stets jenseitig verortet sieht. Ein Tag Zufriedenheit, eine ganze Woche gar? Ich bitte Sie! Der Mensch hält es im Leben doch nicht aus, ganz ohne Wunsch zu sein und ohne jede Regung noch dazu. Die Faulheit ist ihm angeboren zwar, doch Muße nicht und somit wär ein wunschlos Paradies nichts weiter als ein Kreis der Hölle. Wir suchen nicht das Glück, Ablenkung wollen wir vom Unglück nur und diese bietet uns das Leben schlechter mehr, als recht. Kultur nennt man die Form von Ablenkungen heute, die nun der Mensch in tausenden von Jahren gerade jenem Zweck zu diensten schuf. Und sie ist wohl das Einzige von Wert, da sie den Menschen wissen lässt: Dein Schicksal litten schon Millionen. Das lenkt ihn gern von seinem Unglück ab: Zum Glück.

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