Freund

Freund, frisch zur Hand und reich dem Jüngling den Pokal. Auf diesen Schluck Vergessen wartet eine Welt, die bloße Angst vorm Nichts noch in den Fugen hält. Ein Durst, der sich in dünnem Blut erfand.

Zertrenn das Band, das mich ans Leben knüpft. Zerschlag der Hoffnung Stütze. Sei mir ein Freund, in dieser letzten Nacht mir endlich zu was nütze. Bring das Geschirr, füll meinen Becher zum Rand.

Den Trank aus blassem Kraut, vom Doldenschieferwein. Schenk ein, den Flurenmost, dass tief im Bauch der Traum entgast. Dort hab ich Leben, Liebe längst zu blutgem Stuhl verdaut.

Nein! Was zu reden war, ist aufgeschrieben. Was Leben ist, ward längst gesagt. Es nagt kein Wunsch, kein Glauben mehr an mir. Wer nie gewann, ist schließlich der, der nichts mehr wagt.

Niemand mehr hier, der mich entzweit. Nun kenn ich alles, hab die Welt geschaut. Bald wird es wieder jung und kalt. Ich freue mich darauf, wie man sich auf die Erde freut.

Freund, schweig. Reich einem alten Mann seinen Pokal. Nach diesem Schluck Vergessen dürstet eine Welt, die aus dem Nichts entstand und die ins Nichts zerfällt.

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Routinier

Es ist Woche. Habe mich rasiert, mit nassem Kamm strich ich durchs Haar. Die Fenster sind geputzt, ich masturbierte schon und kaufte danach ein. Mein Schreibtisch ist geräumig, die Kerzen längst nicht abgebrannt. Nichts ist beim alten, doch alles bleibt. Mit kalten Händen hielt ich mich den halben Tag am Teeglas fest. Es stinkt nach Rauch. Um drei leg ich mich hin, drehe die Neubauten auf: „Ich steh auf Aus“. Hier liege ich um Jahre zurück. Noch habe ich ein halbvolles Glas Wasser, noch muss ich die Tür nicht öffnen. Die Decke ist so hoch wie eh und je, der Boden weich. Nur graben lässt sich schlecht darin.

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Passage

Ich wollte etwas schreiben: Mit Körper, Seele, runden Formen. Nun will es nicht, nicht passen. Und doch, du hättest es verdient.
Ich wollte etwas sagen, so lange schon und ja, es will nicht passen. Dabei wär‘s weder rund noch körperlich, nur Seele hätte es, wenn es denn sowas gibt.
Ich wollt, ich könnt dich lesen. So wie auf meinem Blatt Papier, in dir ein Stück von mir. Doch schein ich nicht zu passen.

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Fluss

Tag und Nacht, Medusenkopf und Schlangenhaar. Ein tiefer Traum, ein letztes, warmes Jahr. Ich fasse klar, was ich nicht will, begrab es ganz tief unter mir. Die trockne Haut platzt mir von krummen Fingern. Ich fahre bis zur Endstation. Willst du final, mein Abschluss sein? Dann knüpf behände diesen Strick, verwahr mich in Memoriam. Ach, wär dein Name nur nicht jambisch, so hätt ich ihn schon längst vergessen. Du wurmst im Ohr. Vorgestellt in Urgestalt – akzentuiert. Abtauchen, hinein in den Fleischfresser, den wohlgenährten Schlund am Versfuß des Vergessens. Dies ist mein Testament und Nachtgebet, dass ich dem Wurme Mahlzeit werden soll; dass nichts von mir wird bleiben als ein Stein, der meinen Namen trägt bis ihr in brauchen könnt, für Mauern oder bloß als Schmuck. Draußen wird es mittlerweile warm. Bald ziehen wir durchs Land. Bald pflügt man uns ihm unter. Ich schneide mir die Ärmel ab und mal mit Sonnencreme Muster auf die nackte Haut. In meinen Taschen sammeln lose Zettel sich mit deiner Schrift darauf. Was will der Autor uns nur sagen? Auf meinem Tisch liegt Staub. Ich bring das Pfand zurück und werf den Kassenzettel weg. Das Geld liegt auf der Straße und man läuft jeden Tag daran vorbei. Soviel zu Bonität und Wüstendurst.

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Kleines, gonzosophisches Pausenbrot

Die Stoa sagt, man müsse Wollen und Können in Einklang bringen um glücklich zu werden. Ich sage: Weder Wollen noch Können kann ich maßgeblich beeinflussen. Wenn ich es nicht beeinflussen kann, dann bleibe ich unglücklich, denn ich will, was ich nicht kann. Wenn ich es beeinflussen wollen würde, werde ich ebenfalls unglücklich. Ich muss mich also damit abfinden und unglücklich sein wollen, um glücklich zu werden. Das kann ich eigentlich doch ganz gut (ergon).

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